Institut: Eltern statt Babys impfen
Verband der Kinder- und Jugendärzte kritisiert Lieferengpässe bei Impfstoff scharf
Langen/Köln (dpa/ND). »Besonders gefährlich für Säuglinge sind HIB-Infektionen und Keuchhusten, die so schwere Komplikationen hervorrufen können, dass sie zum Tode führen«, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann in einem dpa-Gespräch in Köln. Das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) im hessischen Langen nannte jedoch mehrere Alternativen zu den ausgefallenen Impfstoffen. Gegen Keuchhusten können sich zudem die Eltern impfen lassen, damit sie ihre Säuglinge nicht anstecken.
Lieferengpässe gibt es bei einem Vierfach- und einem Sechsfach- Impfstoff der britischen Firma Glaxosmithkline (GSK). Ein Grund der Lieferungsverzögerung des Vierfach-Impfstoffs sei die Produktion des Schweinegrippe-Impfstoffs Pandemrix, da für beide Impfstoffe dieselbe Abfüllanlage verwendet werde. Beim Sechsfach-Impfstoff habe es Verzögerungen bei der Qualitätskontrolle gegeben.
Der Sechsfach-Impfstoff wirkt gegen Diphtherie, Wundstarrkrampf, Kinderlähmung, Keuchhusten, HIB-Infektion und Hepatitis B – er wird ab der achten Lebenswoche verabreicht. Nach GSK-Angaben wird der Sechsfach-Impfstoff Ende Februar wieder lieferbar sein, zu Verzögerungen könne es jedoch bis ins zweite Quartal des Jahres hinein kommen. Als Ersatz nannte das PEI einen Fünfach-Wirkstoff, der mit einer einzelnen Hepatitis-B-Impfung kombiniert werden könne.
Viele Babys ab dem elften Monat werden mit einer Vierfach-Kombination gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken von GSK geimpft. Auch hier gibt es laut PEI Alternativprodukte.
Hartmann übte scharfe Kritik an GSK. »Wir können nicht akzeptieren, dass die Kinder-Sicherheit gefährdet wird, weil sich ein Pharmaunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen für die Produktion lukrativerer Impfstoffe entscheidet.« Bei einer stabilen Geburtenzahl von 670 000 bis 680 000 pro Jahr sei der Bedarf an Impfstoff ganz klar kalkulierbar. »Man weiß vorab genau, welche Menge nötig ist. Diese Mengen müssen über Lieferverträge gesichert sein. Die Impfstoffe sind mehrere Jahre haltbar und können auch mühelose eingelagert werden.« GSK habe Anfang Januar die Kinderärzte auf drohende Engpässe hingewiesen, Ende Januar war es schon so weit, kritisiert Hartmann. »Es wurde so kurzfristig informiert, um Hamsterkäufen vorzubeugen«. Nun sitzen dem Verbands-Präsidenten zufolge schon viele Arztpraxen auf dem Trockenen. Ärzte, die noch Restmengen hätten, sollten auf Auffrischungen verzichten, um stattdessen noch Erstimpfungen für Säuglinge zu ermöglichen.
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