Abendmahl als »geistlicher Notfall«
Ökumenische Zwischenrufe eines Dogmatikers
Tübingen/München. Angesichts des bevorstehenden 2. Ökumenischen Kirchentags machen wieder vermehrt Christen Druck, die Gemeinschaft zwischen den Konfessionen mutiger zu praktizieren. Gefordert wird etwa ein gemeinsames Abendmahl, zu dem es im offiziellen Teil des Münchener Kirchentages vom 12. bis 16. Mai aber sicher nicht kommen wird – zu tief ist in dieser Frage der Graben, der katholische Theologie von protestantischer trennt. Der Tübinger katholische Theologieprofessor Bernd Jochen Hilberath hat vor dem kirchlichen Großereignis das Buch »Jetzt ist die Zeit. Ungeduldige ökumenische Zwischenrufe« herausgebracht, in dem er einen Weg zu mehr kirchlicher Gemeinschaft aufzeigt.
Der Dogmenexperte gehört keineswegs zu den Menschen, die strenge Lehrsätze für überflüssig halten oder bereit wären, um des guten Miteinanders von Menschen willen fünf gerade sein zu lassen. Er nimmt die Überlieferung durchaus ernst, widerspricht dabei allerdings abgrenzenden Interpretationen kirchlicher Texte. Manchmal sei es »eher die Praxis der Frömmigkeit oder der Amtsausübung als die Theologie und offizielle Lehre der Kirche, die ökumenisch Hindernisse aufbaut«, schreibt er.
Ein weites Feld
Zwei große Streitpunkte zwischen katholischer und evangelischer Kirche sind das Abendmahl und das Amtsverständnis. Die katholische Lehre ist, dass während der Einsetzungsworte zum Abendmahl Brot und Wein auf geheimnisvolle Weise in den echten Leib und das echte Blut von Jesus Christus verwandelt werden, also zu einer neuen Substanz werden (daher der Begriff Transsubstantiationslehre). Im Protestantismus geht das Deutungsspektrum weit – bei den Lutheranern etwa erwartet man die reale Gegenwart von Jesus Christus in den Abendmahlselementen, Reformierte deuten das Geschehen eher symbolisch.
Die Konsequenz: Protestanten können alle Christen zu ihren Abendmahlsfeiern einladen, die katholische Kirche lädt dagegen Protestanten nicht ein und verbietet es auch ihren Mitgliedern, dorthin zu gehen. Hilberath nimmt in dieser Frage eine vermittelnde Position ein. Einer gemeinsamen Abendmahlsfeier auf dem ökumenischen Kirchentag steht er distanziert gegenüber, aber für konfessionsverbindende Ehen müsste sie seiner Ansicht nach möglich sein.
Problem Amtsverständnis
Der Theologe erinnert an den früheren Straßburger Bischof Léon Arthur Elchinger, der 1972 die konfessionsverbindende Ehe als »geistlichen Notfall« in seiner Diözese deklariert habe. Ehepaare und Familien erhielten auf Antrag in aller Regel eine Sondergenehmigung, gemeinsam zum Abendmahl zu gehen. Der Tübinger Dogmatikprofessor bedauert, dass diese Vorgehensweise in Deutschland keine Nachahmer gefunden habe.
Ein weiteres Problem ist das Amtsverständnis. Rom erkennt nur Amtsträger an, die sich auf die sogenannte Apostolische Sukzession berufen können, also eine lückenlose Kette von Amtseinsetzungen kirchlicher Würdenträger bis in die Tage der ersten Christen aufweisen. Das ist so für die traditionellen protestantischen Kirchen nicht möglich.
Hilberath weist allerdings darauf hin, dass die meisten evangelischen Kirchen ebenfalls ein Amt kennen und die Einsetzung gewissenhaft geregelt haben. Außerdem trage die katholische Kirche eine Mitschuld, dass die Sukzession bei den Protestanten unterbrochen sei. Ein theologisches Hindernis für mehr Kirchengemeinschaft kann der Katholik jedenfalls in diesem Punkt nicht erkennen.
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