Monster auf acht Achsen
Umstrittene Mega-Trucks fahren nun im Norden
Sie tragen Namen wie Mega-Trucks, Gigaliner oder EuroCombis, sind 25 Meter lang und haben meist acht Achsen. Gegner der überlangen Lkw nennen sie Monster-Trucks. In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und FDP ist von einem bundesweiten Testlauf dieser Transport-Giganten die Rede. Bei allen bisherigen Verkehrsministerkonferenzen gab es nie eine Mehrheit dafür. Nun hat Bundesminister Peter Ramsauer (CSU) eine Arbeitsgruppe einrichten lassen, die sich dem Thema widmet. Sein Vorgänger Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte sich noch dagegen gesperrt.
Wie es auch weitergeht – vor 2011 wäre ohnehin nicht mit einem bundesweiten Einsatz der Lkw-Giganten zu rechnen, weil zuvor noch erheblich in die bauliche Infrastruktur – zum Beispiel bei Kreisverkehren – investiert werden müsste. Und dies mit Steuergeldern, wie die »Allianz pro Schiene e.V.« betont.
Dennoch hat die schwarz-gelbe Landesregierung in Schleswig-Holstein, wohl in vorauseilendem Gehorsam, nun zwei Teststrecken für den umstrittenen Fahrzeugtyp ausgewiesen. Die Riesenlaster dürfen sich eigentlich nur mit nationaler Genehmigung bewegen. Frühestens Ende des Jahres ist mit einer Entscheidung seitens der EU zu rechnen, war auf Nachfrage beim zuständigen Verkehrskommissar Antonio Tajani (Italien) zu erfahren.
»Schleichender Einstieg«
Regionale Pilotverfahren wie aktuell in Schleswig-Holstein können losgelöst von der fehlenden nationalen Gesetzgebung gestartet werden. Daher waren auch bisherige Vorstöße aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen äußerst umstritten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann spricht in diesem Zusammenhang von einem »schleichenden Einstieg«. Das heimliche Vorgehen in Kiel hat ihn empört.
Rossmann steht mit seinem Protest nicht allein. Auch Michael Cramer, Grünen-Abgeordneter im Europa-Parlament, lässt kein gutes Haar an den extralangen Lkw. Er wirft der Logistik- und Nutzfahrzeugindustrie eine Sozialisation der Verluste und eine Privatisierung der Gewinne vor. Aus seiner Sicht hätte eine Einführung der Gigaliner einen bis zu 50-prozentigen Rückgang des Güterverkehrs auf der Schiene zur Folge.
Ungewollt tut sich hier sogar eine Koalition mit dem ADAC sowie dem Auto- und Reiseclub Deutschland auf. Denn diese lehnen die Mega-Trucks auch ab – in erster Linie aus Sicherheitsaspekten, aber auch, weil die Rastplätze auf Autobahnen keine ausreichenden Kapazitäten für diese Vehikel bieten würden.
Die Befürworter verweisen auf die angebliche Effizienz der Mega-Trucks und bemühen ebenfalls ökologische Argumente. Man hätte mehr Ladefläche, reduziere den Treibstoffverbrauch wie den Kohlendioxid-Ausstoß. Der Effizienzgedanke könnte allerdings auch viele Fernfahrer in die Arbeitslosigkeit schicken, denn so wie der Supermarkt den Tante-Emma-Läden den Garaus bereitet hat, so dürften die Großspediteure mit ihrer Fahrzeugflotte samt Gigalinern verstärkt die Kleinspeditionen vom Markt drängen. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts widerspricht zudem allen Öko-Verheißungen aus der Branche. Ein internationaler Vergleich weist nämlich eine negative Klimabilanz aus.
Verstoß gegen
EU-Recht?
Verwundert der schwarz-gelbe Vorstoß in Kiel Beobachter nicht wirklich, so schüttelt man bei der »Allianz pro Schiene« besonders über Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) den Kopf. Der hat die ursprünglich im Vorjahr auslaufende Erprobung für Mega-Trucks bis Ende 2010 verlängert. Von den zwölf Strecken dort gehören einige nicht zum Autobahnnetz. »Allianz pro Schiene«-Geschäfts- führer Dirk Flege: »Die Riesen-Lkw quälen sich teilweise durch enge Straßen in Wohngebieten. Das ist unverantwortlich.«
Ärger kann Schleswig-Holsteins Verkehrsministerium drohen, weil man vor wenigen Wochen einem dänischen Giga-Lkw eine Sondergenehmigung zur Straßennutzung im nördlichsten Bundesland erteilt hatte. Laut »Allianz pro Schiene« ist solch ein grenzüberschreitender Verkehr ein Verstoß gegen geltendes EU-Recht. Die Fraktion DIE LINKE in Schleswig-Holstein ist gegen jegliche Pläne mit den Riesenfahrzeugen. Ihr verkehrspolitischer Sprecher Björn Thoroe kurz und knapp: »Wir sind für eine Stärkung des Schienenverkehrs. Da verbieten sich solche Überlegungen.«
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