Eiskanal ein wenig entschärft

Nach dem Tod des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili reagiert der Weltverband FIL

Der Tempojagd ein Ende setzen: Der Rodel-Weltverband will künftig die Bahngeschwindigkeiten begrenzen.
Der Tempojagd ein Ende setzen: Der Rodel-Weltverband will künftig die Bahngeschwindigkeiten begrenzen.

Der schnellste und gefährlichste Eiskanal der Welt hat ein erstes Opfer gefunden: Georgiens Rodler Nodar Kumaritaschwili. Der 21-Jährige hatte am Freitag beim Abschlusstraining nach einem Fahrfehler in der letzten der 16 Kurven, der »Thunderbird«Kurve, die Kontrolle über seinen Schlitten verloren und wurde kurz nach der Ziellinie aus der Bahn katapultiert. Er prallte mit Hinterkopf und Rücken gegen den Stahlträger der Bahnüberdachung. Rettungskräfte vor Ort begannen sofort mit Reanimierungsmaßnahmen, doch Kumaritaschwili erlag seinen schwerren Verletzungen.

Es ist der erste Todesfall in der Geschichte der Winterspiele während eines Wettkampfes. 1992 in Albertville war bei der Demonstrationssportart Geschwindigkeitsskifahren der Schweizer Nicholas Bochatay ums Leben gekommen. 1964 in Innsbruck war der britische Rodler Kazimierz Skrzypezki zwei Wochen vor Beginn der Spiele im Training tödlich verunglückt.

Schon am Donnerstagabend war es im Whistler Sliding Centre zu einem schweren Sturz gekommen. Dabei verlor die Rumänin Violeta Stramaturaru das Bewusstsein und musste mit Verdacht auf Gehirnerschütterung behandelt werden.

»Diese Bahn deutet auf schwere Rechenfehler im Programm der Konstrukteure hin. Sie müssen so schnell wie möglich ihre Werte überarbeiten«, forderte Thomas Schwab, 1988 in Calgary Olympiadritter im Doppelsitzer, später Bundestrainer und jetzt Sportdirektor des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland. »Die Probleme dieser Bahn sind seit zwei Jahren bekannt.«

Der Architekt der Hochgeschwindigkeitsbahn, der Leipziger Udo Gurgel, wehrte sich gegen die Vorwürfe und schob die Verantwortung auf den Veranstalter und den Rodel-Weltverband FIL. »Wir haben die Bahn in Absprache mit den beiden Verbänden sehr sorgfältig gebaut und geprüft«, sagte Gurgel und betonte, dass die Sicherheitsmaßnahmen vor Ort Sache der Verbände seien.

FIL-Präsident Josef Fendt aus Berchtesgaden, der nach dem Weltcup-Finale im letzten Winter, als auf dieser Bahn vom zweifachen Weltmeister Felix Loch (Berchtesgaden) ein Temporekord von 153,98 km/h aufgestellt worden war, diese Entwicklung gegenüber ND »riskant« genannt und »auf künftige FIL-Regeländerungen für den Bahnbau« hingewiesen hatte, räumte nun auf einer Pressekonferenz »große Fehler bei der Einschätzung des Eiskanals« ein.

Nach Kumaritaschwilis Tod wurde nicht nur über die wahnsinnigen Geschwindigkeiten diskutiert, sondern auch über Fehler bei der Konstruktion der Banden. Diese führten in Whistler dazu, dass der Georgier kurz nach der Zieldurchfahrt aus der Bahn und gegen einen Stahlträger flog.

Die Rennleitung und die FIL entschieden nach den gemeinsam mit den kanadischen Behörden durchgeführten Untersuchungen Veränderungen. So wurde im Bereich der Ausfahrt Kurve 16 die Rundung an der Bande, die wie eine Rampe wirkte und das Herausschleudern des Georgiers ermöglichte, begradigt. Zudem starten bei den olympischen Rennen die Männer vom Frauenstart, so dass sich die Strecke um 170 Meter verkürzt und nur noch 14 statt 16 Kurven aufweist. Die Männer sind dadurch 10 km/h langsamer. Die Frauen und Doppelsitzer beginnen vom Juniorenstart. Damit verkürzt sich ihre Strecke von 1202 auf 953 Meter.

Dass die Olympiamacher von Sotschi 2014 sogar von einem Eiskanal reden, auf dem über 160 km/h möglich sein soll, rief den FIL-Chef auf den Plan: »Das wird mit Sicherheit nicht passieren.« Hoffentlich lässt der Weltverband wirklich Entscheidungen folgen, die die Bahnbauer bei ihrer Tempohatz in die Schranken weisen.

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