Geteilte Lust auf Karneval
Närrisches Treiben spaltet das vereinte Deutschland
Nach einer Forsa-Umfrage sind knapp 35 Prozent der Bundesbürger begeisterte Anhänger des karnevalistischen Frohsinns. Etwa die Hälfte steht dem Narrentreiben gleichgültig gegenüber, 15 Prozent finden dieses »einfach schrecklich«. Es verwundert daher nicht, dass auf die Frage nach den Ursprüngen der »fünften Jahreszeit« kaum 20 Prozent der Deutschen eine Antwort wissen. Viele sähen es sogar gern, wenn man das feucht-fröhliche Kostümfest in den Sommer verlegen würde. Dabei weist schon das Wort »Fastnacht«, das neben »Karneval« und »Fasching« zur Bezeichnung des Narrenspektakels regional verwendet wird, auf dessen christliche Wurzeln hin: Bevor im Mittelalter am Aschermittwoch die 40-tägige Fastenzeit begann, durften die Christen mit päpstlicher Erlaubnis noch einmal ausgelassen feiern. Danach war Beten statt Essen angesagt. Vor allem sollte niemand bis zum Karsamstag Fleisch verzehren, wie der Name Karneval bezeugt (lat.: carne vale = Fleisch, lebe wohl).
In Deutschland beginnt die Fastenzeit traditionell am 6. Januar, dem Dreikönigstag. Erst im 19. Jahrhundert wurde der 11.11. ins Karnevalsgeschehen einbezogen, wofür es u. a. die Erklärung gibt, dass die Zahl 11 bei Christen als Sinnbild der Sünde gilt: Sie ist um eins größer als 10, die Zahl der Gebote, und um eins kleiner als 12, die Zahl der Jünger Jesu. Bis heute wird daher in den deutschen Karnevalshochburgen am 11.11. das Prinzenpaar vorgestellt. Danach ruht auch hier das närrische Treiben bis zum 5. Januar.
Einige Karnevalsbräuche lassen sich bis in die vorchristliche Zeit zurückverfolgen. So feierten die alten Römer im Januar das Saturnalienfest. Da wurde die herrschende Ordnung für einen Tag außer Kraft gesetzt: Herren bedienten ihre Sklaven, man beschenkte sich gegenseitig und trank gemeinsam. Elemente davon haben sich bis heute im Aushändigen der Rathausschlüssel an die Narrenzünfte erhalten. Außerdem wählten die Römer beim Saturnalienfest einen Mann aus dem Volk zum König. Auch diese Tradition lebt, wie Volkskundler glauben, in der Wahl des Faschingsprinzen fort.
Im 16. Jahrhundert endete in weiten Teilen Deutschlands der Spaß am Karneval. Reformatoren wie Martin Luther hatten kein Verständnis mehr für solche »leichtfertigkeit wie bisanhero an der teufels fassnacht«. Und so ist Deutschland bis heute geteilt in eine eher faschingsabstinente protestantische und eine karnevalsselige katholische Zone, als deren Hochburg das Rheinland gilt. Aber auch hier wurde das Narrentreiben von Napoleon und später den Preußen kritisch beäugt, was die Rheinländer nicht davon abhielt, ihre Karnevalsbräuche weiter zu pflegen. 1823 fand in Köln der erste Festzug am Rosenmontag statt – am »rasenden Montag«, wie es hieß. Und da in Köln und Umgebung die Jecken bis heute rasen, sollte jeder, der da nicht mitmachen möchte, rechtzeitig aus der Region flüchten.
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