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Egsel, wer?
Ein Raunen geht durchs Medienzentrum in Vancouver. Und alle Journalisten, die gerade auf ihren Laptop gestarrt oder gehackt haben, schauen hinauf zu den zahlreichen Bildschirmen. Gerade hat der Norweger Aksel Lund Svindal im alpinen Abfahrtsrennen der Männer die Bestzeit von Bode Miller knapp unterboten. Schon ist klar, dass das Raunen von den US-Kollegen kam.
Einer von ihnen sitzt mir gegenüber, und kann es nicht fassen. Nach Millers Bestzeit hatte er schon angefangen, vom Gold seines Landsmannes zu schreiben. »Wow«, entfleucht es ihm nun, und der Mund steht offen. Nach zehn Sekunden Schockstarre kramt er in seiner Tasche und holt die Olympia-Sonderausgabe der »Sports Illustrated« heraus. »Egsel Land Swindel?« murmelt er, »wer ist denn das nur?«.
Nur der zweifache Gesamtweltcupsieger und dreifache Weltmeister, erkläre ich, doch mein Kollege scheint mir nicht zu glauben. Er schlägt »Aksel Lund Svindal« lieber noch bei Wikipedia nach. Währenddessen fährt der Schweizer Didier Defago neue Bestzeit.
»Führt Bode noch?«, fragt der nächste US-amerikanische Kollege. »Nein, jetzt ist irgend so ein Schweizer vorn«, sagt der erste. Die Jungs tun mir langsam leid. Sie haben noch eine Menge Recherchearbeit vor sich. Bode Miller bleibt zum Glück Dritter. Wenigstens etwas.
Aber mal unter uns. Den US-Snowboarder Seth Wescott, den ich wenig später beim Sieg im Crosswettbewerb sah, kannte ich vorher auch nicht. Ein amerikanischer Kollege am Cypress Mountain klärt mich auf, dass Wescott schon 2006 in Turin Olympiasieger war. Mein ungläubiger Blick ist wahrscheinlich Aufhänger seines nächsten Tagebucheintrags über diese ahnungslosen deutschen Journalisten.
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