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Wie wird Korruption geahndet?
Werner Rügemer über den neuen Prozess gegen Ex-Müllmulti Trienekens / Der Kölner Publizist hat sich in seinem Buch »Colonia Corrupta« mit dem Kölner Klüngel beschäftigt
ND: Der Prozess, der gestern in Köln gegen den ehemaligen Müllunternehmer Hellmut Trienekens begonnen hat, soll der letzte in der Aufarbeitung des Kölner Müllskandals sein. Diesmal steht Trienekens wegen Untreue vor Gericht, weil er schwarze Kassen in der Schweiz angelegt hat. Können Sie kurz zusammenfassen, worum es genau geht?
Rügemer: Trienekens hat diese »Kriegskasse« bereits Anfang der 90er Jahre angelegt. Daraus sollten Schmiergelder gezahlt werden, mit denen er seiner Firma Aufträge verschaffte. Man wollte das Geld für solche Geschäfte parat haben. Trienekens hat sich so in den 90er Jahren Aufträge etwa in der Abfallentsorgung, beim Abtransport oder zur Miteigentümerschaft in anderen Müllverbrennungsanlagen gesichert. Betroffen waren Kommunen in ganz Nordrhein-Westfalen, unter anderem eben Köln.
In der Schweiz gab es einen Treuhänder, der eine extra zu diesem Zweck gegründete Scheinfirma verwaltete, in die die Gelder eingezahlt wurden. Derlei Konstruktionen werden ja seit Jahrzehnten von deutschen Konzernen genutzt, um eben Bestechungen vornehmen zu können. Möglich macht es das Schweizer Bankgeheimnis. So bleiben die Transaktionen für Außenstehende uneinsichtig.
In einem Teilprozess wurde Trienekens in der Vergangenheit bereits wegen Steuerhinterziehung zu hohen Geldstrafen verurteilt. Diesmal lautet der Vorwurf Untreue. Warum muss Trienekens nicht wegen Bestechung vor Gericht?
In dem Prozess gab es bereits einen Deal. Angeklagt war Trienekens damals unter anderem auch wegen Bestechung. Wegen seiner tatsächlichen – oder angeblichen – gesundheitlichen Angeschlagenheit wurde damals aber das Verfahren verkürzt, und er wurde nicht wegen Bestechung, sondern »nur« wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Das setzt sich jetzt in diesem Verfahren fort.
Aber ist das nicht ein Skandal? Obwohl Trienekens die Hauptfigur in diesem Müllskandal ist, muss er offenbar die Verantwortung dafür nicht im vollen Ausmaß tragen.
Ich halte das auch für einen Skandal – besonders, dass die Justiz dieses Spiel mitmacht. Die Hauptanklage der Bestechung wird wegen des vermeintlich schlechten Gesundheitszustands seit Jahren fallen gelassen, stattdessen wird auf weniger wichtige Anklagepunkte ausgewichen.
Welche Konsequenzen zieht die Stadt Köln aus dem Müllskandal?
Die Richter haben einen zweistelligen Millionenbetrag festgestellt, den die Stadt Köln als Schadenersatz für den zu hohen Preis für den Bau der Müllverbrennungsanlage zurückfordern könnte. Außerdem haben auch die Bürger wegen der hohen Verbrennungspreise Schaden genommen. Im Interesse der Allgemeinheit und der Steuerzahler müssten Politik und Verwaltung diese Summen also von den rechtsgültig verurteilten Verantwortlichen zurückfordern. Dies geschieht aber nicht, und das kann man eigentlich kaum glauben. Bis heute wurden die Konsequenzen nicht gezogen.
Was sicher auch mit den persönlichen Verquickungen zwischen Trienekens und der lokalen Politik zusammenhängen dürfte ...
Ja. Offensichtlich reichen die Verfilzungen zwischen Trienekens und auch dem damaligen Mehrheitsgesellschafter seiner Firma, den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken, mit der Politik sehr weit. Insbesondere sind hier die beiden Parteien zu nennen, die in diesem Zusammenhang die Entscheidungen getroffen haben, also die SPD und die CDU.
Fragen: Ina Beyer
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