Eigenlob oder Erneuerung?

Die Thüringer SPD bereitet sich auf ihren Landesparteitag vor – eine Richtungsentscheidung steht an

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Ihren ersten ordentlichen Landesparteitag seit dem Eintritt in eine Koalition mit der CDU im vergangenen November richtet die Thüringer SPD am kommenden Wochenende in Ilmenau aus. Neben einer Ansprache der Generalsekretärin der Bundespartei, Andrea Nahles, stehen Vorstandswahlen und Entscheidungen über diverse Anträge auf der Tagesordnung.

Der Parteitag wird Aufschluss darüber geben, ob und in wieweit sich die Landespartei tatsächlich mit der Politik des Kabinetts von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) identifiziert, in der die SPD mit vier Ministern und fünf Staatssekretären vertreten ist.

Voller Eigenlob spricht der Landesvorstand in einem Antrag an den Parteitag von einem klaren »sozialdemokratischen Profil« der neuen Landesregierung. Die Jusos hingegen trauern in ihrem Antrag der verpassten Chance einer Koalition mit der Linkspartei und den Grünen nach. Mit beiden Parteien gebe es »große inhaltliche Überschneidungen, die unserem Ziel eines nachhaltigen deutlichen Politikwechsels in Thüringen entsprechen würden«, so der SPD-Nachwuchs im O-Ton. Im Vorfeld der Regierungsbildung war es zu heftigen Auseinandersetzungen im Landesverband gekommen, die jedoch nach einem klaren Mehrheitsvotum eines Landesparteitags für den Koalitionsvertrag wieder abgeflaut sind.

Im Antragspaket, über das die Delegierten in Ilmenau zu entscheiden haben, finden sich auch Forderungen nach grundlegenden politischen Veränderungen und einer Erneuerung der Partei. So untermauern die Jusos ein entsprechendes Begehren mit der Aussage, die Bundes- und Landespartei habe in großem Maße an Glaubwürdigkeit eingebüßt: »Ursozialdemokratische Kompetenzen werden inzwischen eher mit anderen Parteien verbunden.« Insbesondere bei der Bahnprivatisierung, der »Schuldenbremse« und der Entscheidung für eine Koalition mit der CDU hätten viele Thüringer Bundestags- und Landtagsabgeordnete »die innerparteiliche Willensbildung mit Füßen getreten«.

Der Juso-Antrag fordert Mitgliederversammlungen statt Delegiertenkonferenzen auf Kreisebene, ein Rederecht für alle Mitglieder bei Landesparteitagen und die Einführung einer »Hauptamtlichenquote», nach der hauptberufliche Politiker, vor allem Abgeordnete, Minister und Oberbürgermeister, nur noch maximal 40 Prozent der Mitglieder des Landesvorstands stellen sollen. Eine »Parlamentarierquote« von maximal 50 Prozent im Landesvorstand schwebt der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) vor.

Ein Antrag des Kreisverbands Weimar, der zur Kostenverringerung eine Verkleinerung des Landtags im Freistaat anstrebt, wird von der Antragskommission zur Ablehnung empfohlen. Ebenso abgelehnt werden sollen nach dem Willen der Kommission mehrere Anträge des Ortsvereins Erfurt-Ilversgehofen, die sich für die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, für die Abschaffung der Praxisgebühr beim Arztbesuch, für eine staatliche Kontrolle der Daseinsfürsorge und gegen eine Anrechnung der privaten Altersvorsorge auf die Grundsicherung im Alter aussprechen.

Aus Sorge um das öffentliche Profil der Landespartei als kleinerer Koalitionspartner streben zwei Ortsvereine aus Gera die Einrichtung der Funktion eines Generalsekretärs an. Diese solle »bar jeglicher Kabinetts- und Koalitionsdisziplin« die Partei nach außen vertreten und die innerparteiliche politische Meinungsbildung fördern.

Thüringen ist die Wiege der SPD. In Eisenach wurde 1869 die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet, in Gotha fand 1875 der Vereinigungskongress zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) statt. Ein Antrag der SPD-Seniorensparte AG 60 plus fordert »finanzielle Unterstützung des SPD-Landesverbandes« für die Erhaltung der Gedenkstätten »Goldener Löwe« in Eisenach und »Gothaer Tivoli« in Gotha. Hier möchte die Antragskommission das Wort »finanzielle« streichen – vielleicht ein Hinweis auf eine schlechte Kassenlage des Landesverbands, der seit den 1990er Jahren von ehemals 7000 auf derzeit noch 4000 Mitglieder geschrumpft ist.

Aus der Riege der Kritiker einer Koalition mit der CDU im Herbst 2009 kandidieren mehrere namhafte Repräsentanten für den Landesvorstand. So möchte der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein stellvertretender Landesvorsitzender werden und strebt die Nordhäuser Kreisvorsitzende und ehemalige Landtagsabgeordnete Dagmar Becker wieder in den Landesvorstand zurück. Auch Geras Oberbürgermeister Norbert Vornehm kandidiert als Beisitzer für den Landesvorstand. Nach dem Stand der Dinge tritt indes der bisherige Landesvorsitzende Christoph Matschie, seit November Bildungsminister und stellvertretender Ministerpräsident, ohne einen Gegenkandidaten wieder zur Wahl an.

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