Faire Löhne als Standortfaktor

»Konzertierte Aktion Thüringen 2010« begann

  • Peter Liebers, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.
In Thüringen haben Unternehmerverbände und Gewerkschaften auf Initiative von Wirtschaftsminister Matthias Machnig eine »Konzertierte Aktion Thüringen 2010« gestartet. Ziel ist die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen durch faire Löhne.

»Faire Löhne und qualifizierte Arbeitsplätze sind ein entscheidender Standortfaktor«, sagt Landeswirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD). Was sich wie eine Selbstverständlichkeit anhört, kommt in Thüringen einer Revolution gleich. Der Freistaat ist bisher das Bundesland mit den niedrigsten Einkommen. Dieser Umstand wurde von Unternehmern und Landespolitikern bisher als Standortvorteil gepriesen, mit dem Investoren angelockt werden könnten. Selbst Landeseinrichtungen wie die Thüringer Aufbaubank und die Landesentwicklungsgesellschaft warben im Internet – meist erfolglos – damit, dass in Thüringen die Löhne so niedrig seien wie nirgends sonst.

Das soll jetzt mit der »Konzertierten Aktion Thüringen 2010« vorbei sein. Die letzten derartigen Internet-Offerten seien gelöscht, sagte DGB-Landeschefin Renate Licht dem ND. Die Gewerkschaft setzt große Hoffnungen in die neue Strategie und sieht darin ein Zeichen für einen neuen Politikstil. Vor diesem Hintergrund hofft der DGB nach Aussage von Licht auch, die bisherige Benachteiligung der Frauen zu überwinden, die durchschnittlich 25 Prozent weniger verdienen als die Männer.

In ihrer Niedriglohneuphorie hatten Politiker wie Unternehmer in der Vergangenheit die Flexibilität der Thüringer unterschätzt und nicht zur Kenntnis genommen, dass in den Nachbarländern deutlich bessere Einkommen zu erzielen sind. Das hatte zur Folge, dass die Thüringer in Scharen davonliefen. Vor allem Hochqualifizierte und junge Frauen kehrten dem Land den Rücken. Seit 1989 verlor das Land über 426 000 Einwohner.

Ob die jüngste Aktion diesen Trend stoppen kann, ist zumindest fraglich. Als ersten Schritt wollen die Unterzeichner der Erklärung bei Unternehmen und Belegschaften für den Beitritt zum Flächentarifvertrag »werben«. Mehr Erfolg verspricht ein seit Jahren gefordertes und nun angestrebtes Vergabegesetz, das neben sozialen Belangen die Interessen der mittelständischen Wirtschaft berücksichtigen soll. Das muss allerdings vom Landtag beschlossen werden, in dem es vermutlich immer noch zahlreiche Gegner eines solchen Gesetztes gibt. Unternehmen, die qualifizierte Arbeitsplätze, faire Löhne und familienfreundliche Arbeitszeiten garantieren, sollen sich künftig mit dem Qualitätssiegel: »Gute Arbeit« schmücken dürfen.

Für Thüringer Arbeitslose ist das alles Zukunftsmusik. Sie suchen offenbar schnellere Lösungen. Am gleichen Tag, an dem in Erfurt die »Konzertierte Aktion« gestartet wurde, reisten sie in Scharen zur Arbeitsagentur nach Gera. Da boten Unternehmen aus der Schweiz, aus Österreich und den Niederlanden Arbeitsplätze auf dem Bau, in der Metallindustrie und der Holzwirtschaft an. Er suche so viele Leute wie möglich, so der Vertreter einer österreichischen Personalfirma. Im Vorjahr habe er 1100 Arbeitskräfte eingestellt, jetzt würden weitere 400 gesucht. Der Verdienst sei das Lukrative. Der liegt in der Alpenrepublik in der Steuerklasse 1 immerhin bei rund 1700 Euro netto monatlich. Mancher Thüringer bleibe da für immer, verlautet aus den österreichischen Personalfirmen. Fachkräfte würden auch in Thüringen gesucht, sagte ein Installateur. Würde die Arbeit ordentlich bezahlt, bliebe er natürlich im Land.

Dass ausgerechnet der Architekt der Thüringer Niedriglohnstrategie, Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU), trotz »ordentlicher Bezahlung« mit einem opulenten Ruhestandsgehalt von 8500 Euro pro Monat, den Arbeitslosen nach Österreich folgend, bei Magna angeheuert hat, gehört zu den Pikanterien der Thüringer Politiklandschaft. Und der Autozulieferer wollte bei der letztlich gescheiterten Opel-übernahme allein Deutschland 4000 Stellen streichen, unter anderem in Eisenach.

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