Streit um die Nachwendejahre
Brandenburgs Parteien können sich nicht auf Antrag für eine Enquetekommission einigen
Die Opposition im Landtag fordert geschlossen eine umfassende politische Durchleuchtung der ersten Nachwendejahre. In dem am Dienstag vorgelegten Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission streben CDU, FDP und Grüne die »Aufarbeitung der Geschichte und Überwindung der Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat« an.
Die Regierungsparteien SPD und LINKE wollten sich der Mitarbeit nicht verschließen, knüpfen ihre Zustimmung an den Einsetzungsbeschluss aber an die Forderung nach Korrekturen im Antrag. Am Mittwoch wurde dann klar, dass die Opposition die von den Regierungsparteien verlangten Änderungen in ihrem Antrag nicht vornehmen wird. SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke sagte daraufhin, seine Fraktion werde dem Einsetzungsantrag der Opposition nicht zustimmen. Die Opposition verfügt jedoch über eine ausreichende Mehrheit, um die Kommission auch ohne Zustimmung der Regierungsparteien durchzusetzen.
CDU will Medien prüfen
Woidke erklärte, gemeinsam mit der LINKEN werde die SPD nun einen Ergänzungsantrag einbringen, der dem Papier der Opposition hinzugefügt werde. Danach werde es nur noch einen Abgleich bezüglich bestimmter sprachlicher Doppelungen geben.
Am Dienstag hatte CDU-Fraktionschefin Johanna Wanka erklärt, es habe in Brandenburg keine Aufarbeitung gegeben, eigentlich sei »das Gegenteil der Fall gewesen«. Laut Oppositionsantrag soll die Kommission »Rückschau halten« und »prüfen, ob der Prozess der demokratischen Umbildung in Brandenburg, auch im Vergleich zu anderen Ländern, erfolgreich war und ob es Versäumnisse und Fehlentwicklungen gab und gibt, die zu korrigieren sind«. Für die Initiatoren scheint es offenbar sogar zweifelhaft zu sein, dass es in Brandenburg heute eine Demokratie gibt. Es müsse geprüft werden, »ob der Prozess der demokratischen Umbildung … erfolgreich war«, steht im Antrag.
Untersucht werden sollen unter anderem die Konzepte zur Überprüfung auf Stasi-Verstrickung auf allen Ebenen sowie die Bilder, welche die Medien von der Geschichte, der friedlichen Revolution 1989 und der Bildung des Landes vermitteln. Untersuchungsgegenstände sollen die Lage der »Benachteiligten und Verfolgten der SED-Diktatur« sein sowie die Personalpolitik in den unterschiedlichen Verwaltungen des Landes. Die CDU-Fraktionschefin sagte, die geschichtliche Aufarbeitung auf das Stasi-Thema zu verkürzen sei »nicht in Ordnung«. Mit Blick auf die Haltung von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) fügte sie hinzu: »Wir brauchen keine Versöhnungskampagne.«
Dass es sich bei der Arbeit in der Kommission um eine »ergebnisoffene Debatte« handeln müsse, forderte FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz. Er rechne mit einer zweijährigen Untersuchung. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sah in dem koordinierten Vorgehen Ausdruck für eine »handlungsfähige Opposition«. Es seien die Stasi-Fälle in der Polizei und im Brandenburger Landtag gewesen, die Anlass für erste Überlegungen hinsichtlich der Kommission geboten hätten.
Die Regierungsparteien SPD und LINKE hatten Korrekturen im Antrag gefordert. Unter anderem sollte herausgearbeitet werden, welche Wirkung der massenhafte Einsatz von westdeutschen »Aufbauhelfern« in den ostdeutschen Verwaltungen hatte.
»Schlechter Witz«
SPD-Fraktionschef Woidke distanzierte sich auch von dem Plan der Antragsteller, in der Enquetekommission die Eigentumsverhältnisse in der Landwirtschaft gegebenenfalls wieder in Frage zu stellen. Dies sei »abenteuerlich«. Den Plan der Opposition, die Medienberichterstattung der vergangenen 20 Jahre einer Untersuchung zu unterziehen, wies Woidke als »schlechten Witz« zurück.
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