Werden alle Vorratsdaten gelöscht?
Flächendeckende Kontrolle unmöglich / Ermittlungsbehörden nutzen erhaltene Daten weiter
Nach der Entscheidung der obersten Verfassungsrichter am 2. März über die Unrechtmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung müssen die Telekommunikationsunternehmen die entsprechenden Daten umgehend löschen. Die Deutsche Telekom hat am Tag des Urteils mit der Löschung begonnen. Am Mittwoch war der Vorgang weitgehend abgeschlossen, erklärte ein Konzernsprecher gegenüber ND. Das Speichervolumen für Vorratsdaten umfasste bei der Telekom etwa 19 Terabyte. Das entspricht 4,85 Milliarden Din-A4 Seiten. Auch bei O2 zieht sich die bereits am Tag des Urteils begonnene Datenvernichtung noch etwas hin. Beim Konkurrenten Vodafone sind nach eigener Auskunft die letzten Daten bereits am Wochenende gelöscht worden.
Die E-Mail-Dienstleister Freenet und Google Deutschland waren trotz wiederholter Nachfrage des ND nicht in der Lage mitzuteilen, ob sie mit der Datenlöschung begonnen haben. Auch entsprechende Anfragen von Kunden blieben von diesen Unternehmen bislang unbeantwortet.
Über 1000 Telekommunikationsanbietern war durch das nun gekippte Vorratsdatenspeicherungsgesetz zur Auflage gemacht worden, die Kommunikationsdaten ihrer Kunden zu speichern, um sie beispielsweise im Fall einer Strafverfolgung den Behörden übermitteln zu können. Ob sämtliche Unternehmen die Daten löschen, kann nicht flächendeckend kontrolliert werden, gesteht Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar. Er hat jedoch eine stichprobenartige Überprüfung angekündigt. Aufgrund der Erfahrungen mit anlassunabhängigen Kontrollen in der Vergangenheit geht die Datenschutzbehörde davon aus, dass die Telefon- und Internetanbieter die Anordnung aus Karlsruhe umsetzen.
Gelöscht werden jedoch nur die Daten bei den Telekommunikationsunternehmen. Informationen, die die Bundes- und Landeskriminalämter und andere staatliche Stellen aus den Vorratsdatenbeständen bereits erhalten haben, werden nicht vernichtet. Bis zur Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts seien diese Daten aufgrund eines gültigen Gesetzes erhoben und damit rechtmäßig gewonnen worden, erklärt der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Stefan Paris. Kommt es zu einem Strafverfahren, müssen Richter entscheiden, ob die Daten aus den Ermittlungsakten im Prozess verwertet werden dürfen. Über den Umfang dieser aus Behördenanfragen stammenden Unterlagen geben weder Telekommunikationsunternehmen noch Ermittlungsbehörden Auskunft.
Am heutigen Donnerstag befindet der sächsische Landtag über einen Antrag der Linksfraktion zur sofortigen Umsetzung des Karlsruher Urteils. Ihr rechtspolitischer Sprecher Klaus Bartl fordert, alle Unterlagen, die im Zusammenhang mit diesen Daten entstanden sind, zu vernichten. Sie dürften nicht mehr weiter verwertet werden. Die erhobenen Forderungen resultieren aus Erfahrungen mit dem Landesamt für Verfassungschutz. Dieses hatte entgegen einem Urteil des sächsischen Verfassungsgerichtshof von 2005 unrechtmäßig Daten von Bürgern weiter genutzt und bearbeitet – bis nach einem Jahr der Landesdatenschutzbeauftragte eingeschritten ist.
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