Marskanäle durch Lava entstanden
Forschergruppe der NASA löst Rätsel der Planetenastronomie
Im Sommer 1877 machte der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli (1835-1910) eine merkwürdige Entdeckung: Als er sein Fernrohr auf den Mars richtete, stellte er dort eine Vielzahl von schmalen, dunklen Linien fest. Zunächst hielt er diese für natürlich entstandene Wasserwege. Später vertrat er die Auffassung, dass die Kanäle von intelligenten Marsbewohnern angelegt worden seien, um das Wasser der Polkappen in die Wüsten des Planeten zu leiten.
Beides gilt inzwischen als widerlegt. Die von Schiaparelli beobachteten Marskanäle entstanden entweder durch optische Täuschung oder stellten Canyons und Abstufungen im Gelände dar. Gleichwohl haben Astronomen auf der Oberfläche des Roten Planeten zahlreiche markante geologische Strukturen entdeckt, die bis heute die Fantasie vieler Menschen beflügeln. Dazu gehört auch ein rund 270 Kilometer langer Kanal, der sich in der Nähe des Vulkans Ascraeus Mons befindet und auf den ersten Blick wie ein Flussbett anmutet. Die Flüssigkeit, die diesen Kanal vermutlich geformt hat, ist natürlich seit Langem verschwunden. Umso mehr sind Wissenschaftler versucht anzunehmen, dass in manchen Marskanälen früher Wasser strömte, in dem sich sogar einfache Lebensformen entwickelt haben könnten.
Eine Forschergruppe um Jacob Bleacher vom NASA-»Goddard Space Flight Center« hält von solchen Spekulationen wenig: »Obwohl das kanalähnliche Gebilde wie ein natürlicher Fluss mäandriert und sich vorübergehend in mehrere Arme aufspaltet, dürfte es letztlich auf Lava zurückgehen.«
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler hochauflösende Bilder mehrerer Marssonden analysiert und dabei herausgefunden, dass der Kanal an einem kleinen Berggrat entspringt und nur auf den ersten 170 Kilometern typische Flusseigenschaften zeigt. Danach ändert er seinen Charakter und ist in flacherem Gelände teilweise »überdacht« wie eine Lavaröhre. Andere Stellen sehen aus, als sei Lava hier direkt durch die Oberfläche gebrochen. »Derartige Merkmale bilden sich nicht in Wasserkanälen«, erklärt Bleacher, der es zudem für sehr unwahrscheinlich hält, dass der Kanal am Anfang von fließendem Wasser und danach von strömender Lava geformt wurde. »Es deutet vieles darauf hin, dass der gesamte Verlauf des Kanals auf Lavaströme zurückgeht.«
Gestützt wird diese These durch die Untersuchung eines rund 50 Kilometer langen Lava-Kanals auf Hawaii, der ebenfalls so aussieht, als sei er durch die Kraft des Wassers geformt worden.
Ungeachtet dessen wollen die NASA-Forscher nicht ausschließen, dass es früher fließendes Wasser auf dem Mars gab. Sie warnen nur vor übereilten Schlussfolgerungen bei der Deutung planetarischer Strukturen. »Eines habe ich bei alldem gelernt«, resümiert Bleacher: »Man unterschätze in der Geologie niemals das Fließverhalten von flüssigem Gestein.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.