Obama fordert Entscheidung
USA-Präsident will Gesundheitsreform im Kongress verabschieden lassen
Wer Druck ausübt, steht oft selbst unter Druck. Barack Obama ist dafür ein Paradebeispiel: Mit dem möglichen Scheitern seiner Gesundheitsreform konfrontiert, die bei ihrer Verabschiedung jedem Bürger eine Krankenversicherung geben und so gut 31 Millionen heute Unversicherte besser schützen soll, hat der USA-Präsident seinen Druck auf baldige Abstimmung über die Health Reform durch das Bundesparlament in Washington (Kongress) zuletzt stark erhöht. Obama ist mit Blick auf sein wichtigstes sozialpolitisches Vorhaben quasi wieder zum Wahlkämpfer geworden. Trotz hoher politischer Risiken hat er sich entschieden, aktiv um die Reform zu kämpfen. Er will lieber mit den Folgen einer Niederlage leben als mit dem Vorwurf, nicht gekämpft zu haben.
Im Mittelpunkt steht sein Appell an die regierenden Demokraten, zwei vorhandene Gesetzentwürfe beider Kammern des Kongresses soweit zu harmonisieren, dass über eine mit neuen Kompromissen versehene Fassung im Repräsentantenhaus und dann im Senat durch einen selten genutzten, aber legitimen Verfahrenstrick endgültig abgestimmt werden kann. Dabei würde im Senat die einfache, für die Demokraten sichere Mehrheit von 51 Senatoren genügen und den Republikanern die Möglichkeit genommen, das Gesetz durch Endlosdebatten (Filibuster) zu Fall zu bringen.
Obama, der jetzt auch seine Basisbewegung »Obama for America« neu aktiviert, äußerte die Erwartung ans Repräsentantenhaus, bis diesen Donnerstag die Schlussabstimmung zu sichern. So könne eine Krise gelöst werden, »die unsere Nation seit Generationen quält und die zu beheben sieben früheren Präsidenten versagt blieb«. Deshalb hat der Präsident sogar eine Reise nach Indonesien und Australien verschoben. Für den Fall, dass sein Vorhaben jetzt nicht gelingt, gilt Freitag, der 26. März, als nächster Hoffnungstermin. Dann beginnt der Kongress eine 14-tägige Osterpause.
Dabei ist eine Mehrheit für die Reform keineswegs so sicher wie Mehrheit der Demokraten von 75 Abgeordneten im »House«. Denn rund 50 von ihnen vertreten Wahlkreise, in denen der damalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner, John McCain, Obama besiegt hat und nun mit Blick auf die Kongresswahlen im November die Angst vor ähnlichen Niederlagen umgeht.
Parallel zu den parlamentarischen Anstrengungen warb Obama auf Großkundgebungen mit starkem Nachdruck für seine Reform. Er prangerte dabei vor allem die Willkür der Versicherungsunternehmen im Umgang mit ihren Kunden an. Vor rund 2000 Studenten an der Arcadia University bei Philadelphia rief er aus: »Wir dürfen uns kein Gesundheitssystem leisten, das für die Versicherungsgesellschaften besser funktioniert als für das Volk.« Er kritisierte die Verleumdungskampagne der Republikaner, der Pharma- und Versicherungsindustrie gegen die Reform und nannte vor allem die horrenden Steigerungen der Versicherungsprämien von bis zu 100 Prozent einen Skandal, ehe er seine Reformvorschläge in drei Punkten bündelte: »Wie viele Menschen wären für eine Initiative, mit der Versicherungen stärker zur Rechenschaft gezogen werden? Wie viele wären dafür, allen Amerikanern die gleichen Versicherungschancen zu geben wie den Kongressabgeordneten? Und wie viele würden einen Vorstoß unterstützen, mit dem die Kosten für jeden gesenkt werden? Das ist unser Vorschlag.«
Meinungsumfragen zeigen den Erfolg der Desinformation durch Republikaner und Versicherungskonzerne. So befürchten die meisten Bürger, die Reform werde Arzt- und Behandlungskosten verteuern. Dabei ist unstrittig, dass dies vor allem für Untätigkeit gilt. Eine Mehrheit der Versicherten zeigt sich nach der aktuellen Umfrage von »Washington Post« und »ABC News« mit ihren Leistungen zufrieden. Weitergehende Fragen, wie in einer Kaiser-Umfrage, ergaben indes: Zwei Drittel fürchten die Verteuerung von Versicherung und Arzt-Behandlung; fast die Hälfte gab an, sie habe eine Behandlung aufgeschoben oder abgeblasen – weil sie zu teuer war.
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