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Tauchkurs in die digitalisierte schreibende Welt
Es war einmal vor langer langer „Internet-Zeit“ der Perlentaucher. Seit genau zehn Jahren sucht die Redaktion des Online-Kulturmagazins nach Perlen in der Literaturbranche, serviert sie dank einer täglichen Presseschau und führt ihre User/innen mit vielen Links, Essays und Lesetipps zu den ausgewählten Perlen hin.
Von „Herzlichen Glückwunsch zu 10 Jahren Perlentaucher“ ging die Diskussion schnell über in „Was ist zitierbar und was nicht?“, beziehungsweise was die Urheberrechte erlauben, was „Intertextualität“ und Online-Publikationen angeht. Die Debatte über das Zusammenstellen von Texten auf Internet, über Leistungsschutz und Urheberrechte ist wegen des Falls „Hegemann“ auf der Buchmesse sowieso in Gang. Fast hätte die 18-jährige Autorin mit ihrem Roman „Axolotl Roadkill" den Leipziger Buchpreis gewonnen. Leider hatte sie Teile ihres Buches ohne Quellenangaben aus dem Buch des Bloggers Airen übernommen. Nun aber ist Plagiat kein Kavaliersdelikt. Mit der "Leipziger Erklärung zum Schutz geistigen Eigentums" haben sogar Lit-Promis wie Günter Grass, Christa Wolf oder auch die mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2009 ausgezeichnete Sibylle Lewitscharoff vehement zur Ordnung der Branche gerufen.
Tabubruch in Bildungskreisen und Sphären, in denen die Literatur sich bewegt oder bewegen sollte, waren aber nicht das angekündigte Thema der Lesung! Eigentlich sollte es um die Veränderungen des Schreibens durch die Digitalisierung gehen.
Nach einer guten Viertelstunde zum Copy-Paste-Dilemma waren die Teilnehmer/innen an der Podiumsdiskussion soweit. „Literatur wurde immer vom Träger geprägt“, argumentierte Daniela Seel, Dichterin und Verlegerin von KOOKbooks. „Nehmen Sie zum Beispiel das Blog-Format: Undenkbar vor der Digitalisierung“, sagt Thierry Chervel, Chefredakteur von Perlentaucher. „Aus einer Schriftform entsteht durch die Digitalisierung eine Dialogform, mit Vernetzungen. Oft bleibt das Schreiben beim Bloggen offen, in Bewegung. Der Text atmet, die Schrift verändert sich.“ Von „Libroïde“ sprichtseinerseitsder wissenschaftliche Journalist und Darwin-Autor Jürgen Neffe. „Das Schreiben der Digitalwelt bleibt natürlich buchartig, aber es wird nicht mehr linear erzählt. Ich sage oft zu anderen Autoren, versuchen wir „runde Bücher“ zu schreiben, ohne Anfang und ohne Ende.“
Viele interessante Punkte werden erwähnt: Rezeption und Produktion von Publikationen sind durch die mögliche Interaktivität auf Internet gemischt. Anonym und je nach Interesse können die User/innen sich austauschen und sogar zusammenschreiben und umschreiben. Nur taucht bei der Sache nochmals das Thema des Urheberrechts auf: Wer sollte dabei kanonisiert werden?
Das Schreiben ist im Wandel, die Digitalisierung ermöglicht alle möglichen Cross-Experimente. Regeln gibt es in dem Milieu (noch) nicht wirklich, Theorie darüber anscheinend auch noch kaum. Wenigstens nicht auf der Podiumsdiskussion.
Die Lesung war fürs Radio moderiert. Von daher gab es keine Möglichkeit zum Fragen. Keine Interaktivität zwischen Publikum, Podium und Radiohörer. Schade drum!
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