Gesetzesänderung statt allgemeinem Stöhnen
Im Bundestag wird über Vorschläge diskutiert, die Arbeit von Untersuchungsausschüssen demokratischer zu machen
Erinnert man Mitglieder des einstigen BND-Untersuchungsausschusses, der in der vergangenen Wahlperiode unrechtmäßige deutsche Verwicklungen in den Irak-Krieg und den Krieg gegen den Terror der USA erhellen sollte, an dieses Gremium, erntet man als Antwort oft Stöhnen und Augenrollen. Dreieinhalb Jahre saßen Abgeordnete und ihre Mitarbeiter über 5700 Protokollseiten und 2000 Seiten Abschlussbericht. Sie stellten eigene Nachforschungen an, versuchten – je nach Parteizugehörigkeit mit unterschiedlicher Intensität – Zeugen zu brauchbaren Aussagen zu bewegen und die Widerstandsfront der Bundesregierung zu knacken.
Die Erfahrung aller Beteiligten führte zum gegenseitigen Versprechen: Lasst uns das entsprechende Gesetz für kommende Ausschüsse praktikabel machen. Bis Mitte März sollten Verbesserungsvorschläge an den ehemaligen Ausschussvorsitzenden Siegfried Kauder (CDU) geschickt werden. Der sammelte bislang nicht nur Ideen der Grünen, der Linksfraktion, der FDP und der SPD, er verteilte auch eigene Vorschläge.
Wie man hört, gehen die Meinungen der Einsender in einigen Positionen weit auseinander. Insbesondere dann, wenn die Opposition mehr Rechte anmahnt. Was vor allem interessant ist, wenn es die SPD betrifft. Die gab sich in den vergangenen Jahren, da sie noch an der Regierung beteiligt war, zugeknöpft. Nun aber, in der Opposition, lernt sie – etwa im Kundus-Untersuchungsausschuss – die Arbeit von der anderen Seite kennen. Vermutlich wird sie auch in dem nun angestoßenen Gorleben-Gremium forsch voran fragen.
Besonders umstritten im PUAG ist die Rolle des Ausschussvorsitzenden. Max Stadler von der FDP schlägt als Punkt 1 seiner Ideen vor, dass der Vorsitzende und sein Vize nicht beide aus den Reihen der Regierungsfraktionen kommen dürfen. Und unter Punkt 3 betont er: »Der Vorsitzende muss sich bei der Verfahrensleitung neutral verhalten.« Wolfgang Neskovic von der Linksfraktion favorisiert in diesem Amt einen Unparteiischen. Der Ex-Bundesrichter plädiert ernsthaft dafür, einen Außenstehenden mit Befähigung zum Richteramt zum »Ausschuss-Dompteur« zu berufen. Der Grüne Christian Ströbele dagegen will einen Vorsitzenden, der aus den Reihen der Initiatoren eines Ausschusses kommt. Das wäre also meistens – so die Realität – ein Oppositionsmensch. Wird der Ausschuss dadurch seine Arbeit schneller bewältigen? Kauder schlägt vor, schon bei der Einsetzung müsse dem Untersuchungsausschuss eine Frist gesetzt werden. Stadler dagegen hält es für angezeigt, dass der Ausschuss zweimal wöchentlich tagt. Einzige Ausnahme: die Schulferien. Doch da beginnt schon wieder ein neues Problem. Schulferien werden in den Bundesländern unterschiedlich angesetzt.
Kontrovers wird die Abschaffung der sogenannten Berliner Stunde debattiert. Ihr gemäß bekommt jede Fraktion innerhalb von 60 Minuten soviel Fragezeit im Ausschuss, wie es dem Verhältnis von Sitzen im Bundestag entspricht. Das bedeutet, große Regierungsfraktionen können bei der Zeugenvernehmung sinnlos viel Zeit »verplauschen« und dabei nur wenig zur Aufklärung beitragen. Kleine Fraktionen – oft gehören die zu der an Aufklärung interessierten Opposition – erhalten nur wenig Gelegenheit, nach der Wahrheit zu forschen.
Das steht in krassem Widerspruch zur Idee eines solchen Untersuchungsgremiums, das ein Minderheitenrecht ist und von lediglich einem Viertel der Bundestagsabgeordneten ins Leben gerufen werden kann.
Stadler, der als Abgeordneter und nicht als frischer parlamentarischer Justizstaatssekretär argumentiert, will die Zeugeneinvernahme nach dem Reißverschlussverfahren durchführen, bei dem sich Oppositions- und Regierungsfraktionen im Zehn-Minuten-Rhythmus abwechseln. Es beginnt der, der den Antrag zur jeweiligen Zeugenvernehmung gestellt hat.
Vorschläge zur Demokratisierung des PUAG liegen auf dem Tisch, werden jedoch die Arbeit bestehender Gremien nicht beeinflussen. Nun müssen sie sortiert werden. Das ist leicht und kann bis zur Jahresmitte sicher bewältigt werden. Schwer dagegen wird es sein, eine Einigung herbeizuführen. Dafür reicht das Votum eines Viertels der Abgeordneten leider nicht.
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