»Die Dummen sind wieder die Bürger«

Keine Stichwahl in Thüringer Gemeinden

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Es war beschlossene Sache: In diesem Jahr gibt es in Thüringen die Möglichkeit der Bürgermeister-Stichwahl – gekommen ist es anders.

Bei den am 6. Juni anstehenden Wahlen von rund 700 ehrenamtlichen Bürgermeistern in Thüringer Gemeinden wird es noch keine Stichwahlen geben, obwohl die regierende CDU-SPD-Koalition sich im vergangenen Herbst auf deren Wiedereinführung geeinigt hatte und der Landtag dies inzwischen so beschlossen hat. Dies bestätigte Bernd Edelmann, Sprecher des Erfurter Innenministeriums, auf ND-Anfrage.

Die Frage der Stichwahlen war in letzter Zeit zum Politikum im Freistaat geworden, nachdem die in der vergangenen Legislaturperiode mit absoluter Parlamentsmehrheit regierende CDU 2008 gegen den Widerstand von SPD und LINKEN diese Möglichkeit eines entscheidenden zweiten Wahlgangs abgeschafft hatte. Als Zugeständnis, mit dem der SPD der Eintritt in eine schwarz-rote Regierung schmackhaft gemacht werden konnte, stimmte die im August 2009 auf 31,2 Prozent abgestürzte CDU dann doch der Wiedereinführung zu. Mit der raschen Umsetzung hatte es die CDU-dominierte Verwaltung dann doch nicht so eilig.

Wahlverfahren nicht mehr umkehrbar

Zwar beschloss der Landtag im Februar eine entsprechende Änderung im Kommunalwahlgesetz. Doch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens Anfang März hatten bereits alle 17 Thüringer Kreisverwaltungen den Wahltermin festgelegt und das Verfahren offiziell nach der bisherigen Rechtsgrundlage, also ohne die Möglichkeit der Stichwahl, eingeleitet. Man könne »die Pferde nicht mehr wechseln«, wenn das Wahlverfahren einmal eingeleitet sei, dozierte Innenminister Peter Huber (CDU), nachdem sich seine sozialdemokratischen Koalitionspartner darüber verwundert gezeigt hatten.

SPD-Fraktionschef Uwe Höhn beklagte beim jüngsten SPD-Landesparteitag in Ilmenau noch einmal diesen »Wermutstropfen« und erklärte: »Ich hätte mir gewünscht, dass alle Beteiligten dafür sorgen, dass diese Regelung schon im Juni bei der Wahl der ehrenamtlichen Bürgermeister greift. Dem ist aber leider nicht so.« Zu Höhns Missfallen hatte das Landesverwaltungsamt im Januar den Landräten als Rechtsaufsichtsbehörde mitgeteilt, dass ein »Hinweis auf eine mögliche Wiedereinführung der Stichwahl unschädlich« sei. Dies sei ein »immenser Vertrauensverlust für die Arbeit der Koalition«, so der Sozialdemokrat, weil man sich auf »Vereinbarungen und Zusagen verlassen können muss«.

Schnelle Terminierung war unnötig

»Die SPD hat sich auch in dieser Frage von der CDU hinters Licht führen lassen und die Stichwahlen in diesem Jahr einem fragwürdigen Koalitionsfrieden geopfert«, kommentierte der kommunalpolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Kuschel, den Vorgang: »Die Dummen sind jetzt wieder einmal die Bürger«, betont er. Die Thüringer Regierungskoalition habe »offenbar auch bei den Landräten mit CDU- oder SPD-Parteibuch wenig Rückhalt«, wenn diese bereits vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens die Wahltermine festsetzten. Dabei hätten die Landräte bis Mitte März abwarten und erst dann die Wahltermine bestimmen können, so Kuschel: »Offensichtlich haben die meisten von ihnen kein Interesse an den Stichwahlen.«

Als »Tiefpunkt der Rechtssetzung« und »Schaden für die Demokratie«, kommentierte der Fraktionschef der LINKEN, Bodo Ramelow, die Situation: »Diesen Zustand hätte die Koalition verhindern können, wenn sie im Januar unseren fast gleichlautenden Gesetzesvorschlag angenommen hätte.« FDP-Fraktionschef Uwe Barth sieht eine »Verarschung der Wähler« durch die tonangebende CDU.

Die frühere CDU-Alleinregierung des Ministerpräsidenten Dieter Althaus hatte seinerzeit die Stichwahlen auf kommunaler Ebene auch aus Enttäuschung über Wahlniederlagen in den Bürgermeisterwahlen 2006 abgeschafft, mutmaßt Ramelow. Den Hintergrund dafür bildeten zahlreiche Wahlbündnisse zwischen SPD und LINKE, die sich in den Stichwahlen gegen die CDU-Bewerber durchsetzen konnten.

Eine Stichwahl wird dann erforderlich, wenn im ersten Wahlgang kein Bewerber die erforderliche absolute Stimmenmehrheit erreicht. Im zweiten Wahlgang genügt dann die einfache Mehrheit. Bei den planmäßig im Jahr 2012 anstehenden Oberbürgermeisterwahlen in größeren und kreisfreien Städten Thüringens gilt dann allerdings die Stichwahl.

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