Hinter den Kulissen einer Sekte

TV-Tipp: ARD

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Wolfgang Jurgan ist ein wenig verstimmt. Den Chef der Degeto nervt, dass seine Arbeit in der Öffentlichkeit oft nur auf die Filme der ARD am Freitragabend reduziert wird, die mit seichter Unterhaltung die Zuschauer erfolgreich ins Wochenende schaukeln. Die Quote stimme und vor allem, auch die Zuschauer, die sich an simpel gestrickten Heimat-Filmen erfreuen wollen, zahlen Gebühren, argumentiert Jurgan, der mit der Degeto im Auftrag aller ARD-Anstalten Filme produziert, sie verkauft und Titel aus aller Welt für das Erste kauft.

Neben anspruchslosem Süßholzgeraspele beteiligt sich die Degeto seit Jahren an Event-Produktionen wie »Die Flucht« oder »Stauffenberg«. Die Event-Programme kommen auch beim Zuschauer an und daher ist nicht verwunderlich, dass das Erste zu Ostern auf zwei herausragende Eigenproduktionen setzt. Zunächst läuft am Mittwoch das aufwühlende Drama »Bis nichts mehr bleibt«, das hinter die Kulissen von Scientology blickt und sich nicht scheut, die Sekte beim Namen zu nennen. Am Samstag folgt die Adaption von Henning Mankells Bestseller »Kennedys Hirn« von Urs Eggers.

Urs Eggers Film hat eine einmalige Metamorphose hinter sich. Ursprünglich war er als Zweiteiler geplant, der zwei unterschiedliche Genres bedient. Er beginnt als kammerspielartiges Melodrama, in dem Iris Berben als schwedische Archäologin nach den Gründen für den plötzlichen Tod ihres Sohnes in Afrika sucht. Erst in den zweiten 90 Minuten entfaltete sich die erfolgreiche Mischung schwedischer Krimis aus Spannung und Gesellschaftskritik.

Viele Zuschauer sind Niki Steins beeindruckenden, gut recherchierten Fernsehfilm »Bis nichts mehr bleibt« zu wünschen, für den der Regisseur im Selbstversuch die Schriften von Scientology-Gründer Hubbard las und die ersten Schritte in die Organisation machte. Er beschreibt genau, wie die Organisation die Sprösslinge einer reichen Hamburger Reedereidynastie in ihre Mitte holt, sie finanziell ausnimmt und versucht, sie sozial und emotional abhängig zu machen. So lange die Betroffenen mitmachen und im System mit seinen merkwürdigen Begriffen aufsteigen, zeigt Scientology seine freundliche Fassade. Doch in dem Moment, in dem einer aussteigt, lernen er und alle, die mit ihm zu tun hatten, die hässlichen Seiten eines paramilitärisch organisierten Repressionsapparates kennen.

Diese Fakten bettet der Regisseur in eine Familiengeschichte ein, in deren Zentrum ein Streit ums Sorgerecht steht. Frank Reinders (Felix Klare) sieht verständnislos, wie seine Frau (Silke Bodenbänder) aus Opposition zu ihren Eltern und eigener Unsicherheit zur glühenden Anhängerin der Sekte wird und die gemeinsame Tochter in deren Idealen aufgeht. Sie ist so manipuliert worden, dass sie sogar ihren Vater ablehnt. Diese Verführbarkeit von Kindern und ihre Instrumentalisierung in Ehestreitigkeiten hat der Film ebenso wie die psychologischen Mechanismen, nach denen Scientology funktioniert, mit großer Meisterschaft auf den Punkt gebracht.

»Bis nicht mehr bleibt«, Mittwoch, 31. März; »Kennedys Hirn«, Samstag, 3. April, jeweils 20.15 Uhr.

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