Die soziale Zeitarbeitsfirma

Awo verdiente doppelt an Pflegeservice für Senioren – weitere Projekte werden geprüft

  • Dieter Hanisch, Neumünster
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Awo in Neumünster beschäftigte Ein-Euro-Jobber in der Altenpflege, zahlte ihnen 1,25 Euro pro Stunde, aber kassierte doppelt für sie. Als Konsequenz sollen alle Ein-Euro-Projekte des Landes überprüft werden.

Ein-Euro-Jobber zu vermitteln, dann aber für die von ihnen geleistete Arbeit zu kassieren, ist eine allzu perfide Methode. Ein Projekt der Arbeiterwohlfahrt (Awo) mit Pflegekräften und Haushaltshilfen in Neumünster ist daran gescheitert. Nach einer kritischen Berichterstattung im Rundfunk dauerte es nur wenige Tage, bis die Awo dieses Tätigkeitsfeld jetzt einstellte. Zuvor gab es reichlich Schelte für den schleswig-holsteinischen Verband, sowohl vom Bundesverband als auch von benachbarten Landesverbänden, die um ihren guten Ruf fürchteten.

Gegenstand der Aufregung war ein Service, bei dem von der Arbeitsagentur an die Awo vermittelte Helfer für die Betreuung alter Menschen 1,25 Euro in der Stunde bekamen. Die bedürftigen Senioren mussten zusätzlich acht Euro an die Awo abführen, obwohl der soziale Träger von der Arge bereits pro Arbeitskraft eine monatliche 200-Euro-Pauschale erhielt.

Von eiskalter Abzocke war die Rede – ein Vorwurf, der von den Awo-Verantwortlichen entschieden zurückgewiesen wurde. Auf einer Pressekonferenz legte der Verband vielmehr eine Kostenaufstellung vor, nach der das angeprangerte Projekt über einen längeren Zeitraum rote Zahlen geschrieben habe. Über eine »Querfinanzierung« habe man laut Awo-Landesgeschäftsführer Volker Andresen das Minus jeweils ausgeglichen. Details zu den Geldflüssen wurden aber verschwiegen.

Wie aber überhaupt der Einsatz der Ein-Euro-Kräfte in Privathaushalten zu einer zusätzlichen gemeinnützigen Tätigkeit umdeklariert werden konnte und von der Arge und dem so genannten Konsenskreis als Genehmigungsgremium gebilligt wurde, bleibt schleierhaft. Selbst eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Industrie- und Handelskammer lag vor. Der Fall gelangte wurde deshalb sogar im Bundesarbeitsministerium in Berlin besprochen. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel verglich das Vorgehen der Awo mit dem einer Zeitarbeitsfirma.

Jürgen Habich, Vorstandsmitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen, hinterfragt nun auch weitere Projekte unter der Federführung der Awo, bei denen Hartz-IV-Empfänger eingesetzt werden. So beispielsweise die Gartenarbeit mit Siedlungsabfällen und organischem Müll und auch den Bereich Bausanierung und Entkernung, wo mit einem Abbruchunternehmen zusammengearbeitet wird. Diesbezüglich hatte Habich bereits Gewerkschaftsvertreter auf solche Praktiken angesprochen, doch diese sahen keinen Handlungsbedarf. »Betroffene wehren sich nicht, weil sie Angst vor Sanktionen durch das Dienstleistungszentrum haben«, so Habichs Erfahrung.

Angesichts der ans Tageslicht kommenden Praktiken hat der Sozialausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags jetzt durchgesetzt, dass eine grundsätzliche Bestandsaufnahme über Ein-Euro-Projekte gemacht werden soll. Antje Jansen, die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion der LINKEN, fordert, dass alle Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt werden.

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