Wir Ministerpräsidenten
LINKE im Nordosten ruft Helmut Holter zum Spitzenkandidaten einer »Volkspartei« aus
Erst hat es Steffen Bockhahn gesagt, der junge Landesvorsitzende, dann Dietmar Bartsch in seiner »letzten Rede als Bundesgeschäftsführer«: Wenn man ausdrücklich einen »Ministerpräsidentenkandidaten« auf den Schild hebt, »dann müssen sich jetzt auch alle hinter dem Helmut versammeln«.
Außerordentlich früh, etwa eineinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl, hat die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern am Samstag in der Stadthalle von Ludwigslust mit einer Art Vorwahlkampf begonnen und den Schweriner Fraktionschef als Anwärter auf die Staatskanzlei in Stellung gebracht. Dass das Ergebnis aber so deutlich ausfallen sollte – von rund 100 anwesenden Delegierten stimmte nur ein gutes Dutzend nicht zu –, hatten jedoch wohl selbst die Schweriner Parteistrategen nicht erwartet. Auch die Landespresse hatte in Vorab-Berichten das Chaos an die Wand gemalt, nachdem Holter sich seinerzeit mit nur acht von 13 Stimmen als Fraktionschef im Landtag hatte durchsetzen können.
Warnungen vor dem Regieren als Selbstzweck hat es zwar auch auf diesem Parteitag gegeben; im Vorfeld kursierte in Teilen der Partei ein Brief, der vor einer Widerholung der Koalition mit der SPD regelrecht warnte. Doch auch mit dem Antrag, die Koalitionsfrage künftig generell durch eine Mitgliederbefragung klären zu lassen, scheiterte die Partei-Opposition hoffnungslos. Es schien, als hätten die Einheits-Appelle von Bartsch und Bockhahn etwas bewirkt.
Die Welle, auf der Holter vom Schweriner Schloss in die Schlossstraße surfen will, ist die tiefsitzende Verärgerung der Kommunen über Schwerin. »Auf kommunaler Ebene«, analysierte Holter, »formiert sich etwas, was es in dieser Qualität in MV noch nicht gegeben hat. Ob kommunale Finanzausstattung, Kreisgebietsreform oder Aufgabenübertragung – der Innenminister stößt auf die breite bis komplettte Ablehnung der kommunalen Familie.«
Dem ist auch von einer neutralenWarte aus kaum zu widersprechen – und Holter hat die Eckpunkte seiner Programmatik auf gerade diese Basis gestellt. Den Kommunen, die mit dem neuen Finanzausgleichsgesetz des Landes in der Krise noch zusätzliche derbe Einschnitte hinnehmen müssen, verspricht er eine »nachhaltige« Mindestfinanzierung und einen höheren Anteil an den Steuereinnahmen; eine Holter-Regierung werde sich im Gegenzug »auf ihre Kernaufgaben wie Strategie, Steuerung und Kontrolle« beschränken – Versprechen, die Kommunalpolitiker gerne hören. Die Landesregierung, wetterte Holter in deren Namen, produziere nur »Chaos, Stillstand und Rückschritt – und die Menschen spüren das«.
Die Ministerpräsidenten-Kampagne ist auch ein Beitrag zur Programmdebatte. »Helmut ist für alle da«, fasste einer der Holter-Kritiker dessen Rede etwas zynisch zusammen – verzichtete aber auf Kritik im Plenum. Weit daneben ist das nicht: »Wir wollen Ministerpräsident werden« und »ich lebe die LINKE als Volkspartei« lauten an diesem Wochenende Holters programmatische Sätze. Auch Landeschef Steffen Bockhahn betont diesen Begriff – auf den sich auch die Programmdebatte einstellen müsse. Es sei denn, man wolle bei dieser die »Realitäten im Osten« ausblenden.
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