Betrug durch Investmentbanker?
Der Goldman-Sachs-Skandal könnte die Branche umkrempeln
»Die Klage der US-Börsenaufsicht SEC scheint die schlimmsten Ahnungen der Amerikaner gegen die Wall Street zu bestätigen«, schrieb die »New York Times« nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Goldman Sachs: »dass das Spiel manipuliert ist, dass der Vorteil auf Seiten der Bank liegt.«
Sie soll Kunden ein kompliziert gestricktes Finanzprodukt verkauft haben, das von vornherein zum Scheitern verurteilt war und nur zwei Gewinner kannte: Goldman Sachs selbst und einen Hedgefonds, der eine geschickte Gegenwette platzierte. Der Schaden liegt laut Börsenaufsicht bei mehr als einer Milliarde Dollar.
Ein Spiel mit gezinkten Karten – dieser öffentlich geäußerte Verdacht kommt US-Präsident Barack Obama gelegen. Denn er will mit einem Gesetzespaket die Finanzmärkte gegen Widerstände der Opposition und der Banken unter Kontrolle bringen. »Wir dürfen nicht erlauben, dass sich die Geschichte wiederholt«, mahnte Obama. »Niemals wieder dürfen amerikanische Steuerzahler dazu gedrängt werden, einzuschreiten und den Preis für die Verantwortungslosigkeit der Spekulanten an der Wall Street zu zahlen.«
Es waren aber weniger diese Worte, die die Bankaktien rund um die Welt einbrechen ließen, als die Sorge, dass die geschundenen Anleger nun ihr verlorenes Geld zurückfordern. Zumal auch die Deutsche Bank, UBS und Merrill Lynch ins Visier der SEC geraten sind. Die Auswirkungen wären unübersehbar. In der Krise wurden Billionen verbrannt, vor allem mit riskanten Wetten auf den überhitzten US-Häusermarkt. Zu den Anlegern, die Goldman Sachs übers Ohr gehauen haben soll, gehört neben der holländischen ABN Amro und der Royal Bank of Scotland auch die Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB. Ihr Schaden liegt laut Anklageschrift der US-Börsenaufsicht bei fast 150 Millionen Dollar. Die Zeche zahlte am Ende der Steuerzahler. Die Bundesregierung und die Finanzaufsicht BaFin prüfen nun, ob sie Schadenersatzansprüche geltend machen.
Ein Verfahren dürfte sich aber Jahre hinziehen. Goldman widerspricht den Vorwürfen vehement und hat angedeutet, sich auf keinerlei Vergleiche einlassen zu wollen. Der gute Ruf, der in der Branche alles ist, steht auf dem Spiel. Kaum ein Geldhaus ist derart gut in Politik und Wirtschaft verdrahtet, kaum ein Finanzkonzern mischt bei derart vielen Geschäften mit.
Viele Banker haben den Verdacht, dass die Politik ein Exempel statuieren will. Sollte Washington damit durchkommen, würde das die Finanzwelt stärker verändern als jedes Gesetz. Denn dann könnte kein Banker mehr sicher sein, dass er nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Einige besonders windige Anlagemöglichkeiten dürften ganz wegfallen. Und die Bankkunden müssten am Ende weniger Angst um ihr Geld haben.
Die Vorwürfe
Goldman Sachs legte im April 2007 – wenige Monate vor Ausbruch der US-Immobilienkrise – sogenannte »Collateralised Debt Obligations« (CDO) im Umfang von gut einer Milliarde Dollar auf. Die Papiere mit der Bezeichnung Abacus bestanden aus verschiedenen Tranchen von Wertpapieren, die mit Hypothekenkrediten besichert waren. Die Betrugsvorwürfe der Börsenaufsicht: Der verantwortliche Goldman-Sachs-Manager Fabrice Tourre, ein damals 31-jähriger Jungstar der Branche, soll die Anleger nicht darüber informiert haben, dass der Hedgefonds Paulson & Co. bei der Auswahl des Portfolios von Abacus eine wichtige Rolle spielte und gleichzeitig gegen die CDO wettete. Offenbar wurden hier besonders riskante Wertpapiere verpackt, während den Anlegern durch ein Gütesiegel der seriösen Finanzfirma ACA Sicherheit vorgegaukelt wurde. ACA wiederum glaubte, dass Paulson & Co. selbst groß in Abacus investierte. In Wirklichkeit schloss der Hedgefonds des Milliardärs John Paulson bei Goldman Sachs Kreditausfallversicherungen (CDS) ab. Deren Kurs stieg später, als bei Abacus viele Kredite platzten. Die CDO wurden wertlos. ND
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