Volkseigentum zum Schnäppchenpreis
Bundestagsfraktion der LINKEN untersuchte das Wirken der Treuhandanstalt
Die Gründung der Treuhand am 1. März 1990 war eine »Sturzgeburt«, wie die ehemalige DDR-Wirtschaftsministerin Christa Luft zu Beginn der Anhörung am Montag betonte. Eine solche Institution war in den Planungen der Modrow-Regierung ursprünglich nicht vorgesehen gewesen. Doch die von Mai auf März vorgezogenen Volkskammerwahlen sowie die absehbare Einführung der D-Mark ließen eine solche Treuhand »zum Schutz der Volkseigentums« notwendig erscheinen, unterstrich Frau Luft. Ursprüngliche Aufgabe der späteren Mammutbehörde war die Entflechtung der gigantischen DDR-Kombinate. »Eine Totalprivatisierung gehörte nicht zu unserem Konzept«, so Christa Luft. Und selbst als im Juli 1990 mit Detlef Karsten Rohwedder ein westdeutscher Manager die Leitung der Treuhand übernahm, war von einer schnellen Privatisierung um jeden Preis noch nicht die Rede. Den Startschuss zur Privatisierungsorgie gab dann im Januar 1991 der Finanzstaatssekretär Horst Köhler. Der heutige Bundespräsident forderte, es müsse in der DDR-Industrie »auch mal gestorben werden«, erinnerte sich Christa Luft.
Und gestorben wurde danach reichlich. Nach dem mysteriösen RAF-Mord an Rohwedder kam die Bankierstochter Birgit Breuel ans Ruder und mit ihr begann der »fiebrige Ausverkauf«. Als die Treuhandanstalt im Dezember 1994 Bilanz zog, da hatte sie Verkaufserlöse von 73 Milliarden D-Mark erzielt und einen Schuldenberg von 264 Milliarden angehäuft. Dabei hatte das DDR-Volksvermögen laut Behördenchef Rohwedder im Jahre 1990 einen Marktwert von 600 Milliarden D-Mark. Immerhin befanden sich damals 8500 Betriebe, 20 000 Verkaufsstellen und Kaufhäuser und 8500 gastronomische Einrichtungen in Volkseigentum.
Was war schiefgelaufen? Der Sündenfall war die schnelle Währungsunion im Juni 1990. Den ohnehin wenig rentablen DDR-Exportbetrieben versetzte diese 400-prozentige Aufwertung der Währung den Todesstoß. Der von der Treuhand dann eingeleitete Ausverkauf war für westdeutsche Firmen eine willkommene Gelegenheit, die Konkurrenz aus dem Osten abzuwickeln. So schilderte der ehemalige Betriebsratsvorsitzende des Kaliwerkes Bischofferode, Bernd Jüttemann, wie der heute börsennotierte K+S-Konzern beinahe alle ostdeutschen Kaligruben stilllegen ließ, obwohl deren Auftragsbücher gut gefüllt waren. Nur ein Beispiel von vielen. Auch Maschinenbaukombinate wie SKET oder TAKRAF wurden wohl aus demselben Grund vollkommen zerschlagen.
Zudem setzte man innerhalb der Behörde falsche Anreize, kritisierte Linksfraktionschef Gregor Gysi in seinem Statement. So mussten die Beamten selbst bei »grober Fahrlässigkeit« nicht für die von ihnen verursachten Schäden haften. Außerdem zahlte die Behörde Boni für Privatisierungen, egal ob diese erfolgreich waren oder nicht. Für die Beamten hieß das: »Macht, was ihr wollt«, konstatierte Gysi. Und so war es nur folgerichtig, dass die Treuhand vor allem durch Skandale von sich reden machte. Elbo-Baugruppe, Leunawerke oder Schiffbaukombinat: Die Liste der Betrugsfälle ist lang. Auch der ehemalige Treuhanddirektor Heinrich Bonnenberg wollte der Behörde keine Generalabsolution erteilen. Der studierte Physiker plädierte für Prüfungen »bezogen auf den Einzelfall«. Die meisten seiner Kollegen hätten aber korrekt gearbeitet. Außerdem sei die Floskel »plattmachen« in Bezug auf DDR-Betriebe innerhalb der Behörde nie gebräuchlich gewesen.
Übrigens: Auch heute noch verhökern Nachfolgegesellschaften der Anstalt ehemaliges Volkseigentum. So auch die BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, die in jüngster Zeit immer wieder für Negativschlagzeilen sorgte, weil sie ostdeutsche Seen an Privatiers verkaufte. Das Geschäft mit Seen, Äckern und Wäldern lohnt sich. Im vergangenen Jahr überwies die BVVG 500 Millionen Euro an das Bundesfinanzministerium, berichtete Kirsten Tackmann, die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
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