»Drum links zwei, drei ...«
Hamburg: Mehr Demonstranten als erwartet reihten sich in die Revolutionäre 1. Mai-Demo ein
Junge Punks, keine 18 Jahre alt, singen aus voller Kehle »Drum links, zwei, drei ... reih' Dich ein in die Arbeitereinheitsfront ...«. Trotz Schietwetter hat sich vor dem Bahnhof Altona eine große Menschenmenge versammelt. Darunter viele migrantische Jugendliche. Ihre Botschaft: »Klassenkämpfe entfalten – Kapitalismus zerschlagen!«, heißt es auf dem Fronttransparent. Auf einem anderen Banner ist »Klasse gegen Klasse: Enjoy the revolution!« zu lesen.
Das Hamburger Revolutionäre-Mai-Bündnis, dem die SDAJ, die Karawane und andere Flüchtlings- und Migrantengruppen angeschlossen sind, hatte in diesem Jahr zum achten Mal zur Demonstration für die »Aufhebung des Privateigentums« aufgerufen. »Produktion im Kapitalismus bedeutet Blut, Schweiß und Tränen der Unterdrückten dieser Welt«, betonte ein Redner. Daher müsse Solidarität »ganz unten« anfangen. Kommunismus mit Kolonien sei ausgeschlossen. »Wer diese grundlegenden antiimperialistischen Positionen angreift, ist reaktionär.«
Diese Aussage richtete sich offenbar an die Adresse der »Antideutschen«, die im Plenum des autonomen Stadtteilzentrums Rote Flora das Sagen haben und die Demonstration boykottieren. Nicht die häufig strapazierten Vorwürfe des »Antisemitismus« gegen die »eindimensionale und personalisierende Kapitalismuskritik« des 1. Mai-Bündnisses, die in der Stellungnahme des Flora-Plenums kritisiert wird, waren diesmal der Hauptgrund, sondern die Teilnahme der Sozialistischen Linken (SoL). Die im Internationalen Zentrum B5 beheimatete Gruppe hatte vergangenen Oktober eine von »Antideutschen« organisierte Vorführung des Films »Warum Israel« blockiert. Die Antiimperialisten weisen die Vorwürfe als »Spaltungsversuch« zurück.
Die »Antideutschen« hätten alles Mögliche unternommen, um den Revolutionären 1. Mai-Veranstaltungen jegliche Infrastruktur zu entziehen, berichtete Andreas vom Sozialforum Hamburg-Eimsbüttel, ein Sprecher des Bündnisses. Aber man lasse sich nicht erpressen. »Schon gar nicht von Leuten, die Arme und Migranten als Antisemiten stigmatisieren und sich noch nie an den revolutionären Mai-Veranstaltungen beteiligt haben.«
Im Vorfeld der Demo hatte der Bundesinnenminister wegen der »gewaltbereiten autonomen Szene« zwar Alarm geschlagen, doch Hamburgs Behörden erwarteten letztlich nur 500 Demonstranten.
Ein gewaltiger Irrtum: Es kamen rund 1700 Menschen. »Ein Super-Erfolg«, freut sich Bündnis-Sprecher Andreas. »So ein breites internationales Bündnis und so viele Teilnehmer hatten wir noch nie.« Die hohe Beteiligung sei, so die Einschätzung aus dem Kreis der Organisatoren, den Mobilisierungsveranstaltungen mit Vorträgen über »Die Eigentümer des Kapitals und die Charaktermasken der Klassengesellschaft«, vor allem aber den prekären sozialen Verhältnissen im Land geschuldet.
Wie in der Walpurgisnacht kam es nach Anbruch der Dunkelheit auf dem Abschlusskonzert mit Hip-hop- und Ska-Bands zu Zusammenstößen zwischen Besuchern und der Polizei. Es flogen Knallkörper und Flaschen. Die Ordnungshüter retournierten mit Wasserwerfern und Schlagstöcken. Ein Drogeriemarkt wurde geplündert, die Tür einer Bank-Filiale eingeschlagen. Müll- und Altglascontainer gingen in Flammen auf. Gestern bilanzierte die Polizei 40 Fest- und 29 In-Gewahrsamnahmen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.