Von Navajos und Rongelap

Frauenversammlungen am Rande der Anti-Atom-Konferenz in New York

  • Christiane Reymann, New York
  • Lesedauer: 3 Min.

Friedenskampf, das Ringen um atomare Abrüstung haben viele Erscheinungsformen und Gesichter. Darauf machen auch die Zusammenkünfte von Frauen in New York aufmerksam, während gleichzeitig die Nachfolgekonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (NPT) tagt.

Eingeladen hatten die japanischen Frauen zu einer »Frauenversammlung für eine atomwaffenfreie Welt« am Rande der NPT-Konferenz in New York und viele, viele kamen. Der große Versammlungsraum im Gewerkschaftshaus der Beschäftigten des Gesundheitswesens war überfüllt. Ist eine Frauenversammlung anders als eine gemischt geschlechtliche? Und wo sehen Frauen ihren Beitrag für eine atomwaffenfreie Welt?

Frauenversammlungen haben ihre Eigenarten, so auch die in New York. Die Zusammenkunft dort war zunächst einmal bunt. Die Teilnehmerinnen hatten ihre Banner, ihre handbemalten, bestickten, mit Bildern benähten Spruchbänder mitgebracht und überall aufgehängt, wo nur ein Stückchen Wand frei war. Sie haben miteinander gelacht, freigiebig und herzlich applaudiert. Und, auch das ist typisch, ihre Diskussionen bewegten sich im wirklichen Leben, ganz nah an der Praxis.

Einige Beispiele: In Frankreich verweben sich Kampf gegen Armut und für Entmilitarisierung, wenn dort Frauen an sozialen Brennpunkten an einer Kultur des Friedens arbeiten. In Kanada konzentrieren sich die Frauen auf Friedenserziehung, die unbedingt auch ein Schulfach werden müsse. In den USA mahnen indigene Frauen eindringlich, dass Urangewinnung und Atomindustrie schon längst im eigenen Land Menschenleben, Flüsse, Landstriche vernichten und verwüsten. Davon betroffen sind nicht nur die Navajos in New Mexico, sondern auch von den Pueblos die Acoma, Laguna und Zuni. Die meisten Uranbergwerke und Atomfabriken befinden sich auf dem Land indigener Völker.

Endlich, auch das zeichnet Frauenversammlungen aus: Frauen reden weniger unpersönlich, sie nennen eher die Subjekte, sie sprechen nicht zuletzt über sich, sie erzählen ihre Geschichten.

Das ist die Geschichte von Yuriko Sadakiyo, einer Überlebenden aus Hiroshima: »Am 6. August 1945 war ich in einem Tempel, nur eine Meile entfernt vom Zentrum dessen, was an diesem Morgen geschehen sollte. Nachdem etwas geblitzt und gestrahlt hatte, bin ich in Ohnmacht gefallen. Als ich aufwachte, lag die Frau des Mönchs neben mir in einem Meer von Blut. Ich war doch erst sieben Jahre alt. Meine Eltern starben an Krebs als ich 14 Jahre alt war. Obwohl ich gesund aussehe, bin ich auf einem Ohr taub, vielfach operiert, eine Hälfte meines Körpers fühlt nichts mehr.«

Oder die Geschichte von Abbaca Anjain vom Volk der Rongelap, Marshall-Islands: »Es ist jetzt 56 Jahre her, dass eine Bombe über dem Bikini-Atoll zur Explosion gebracht wurde, doch wir spüren die Folgen jeden Tag. Krebs ist eine weit verbreitete Krankheit, viele meiner Leute sind blind, wir haben aber kein Geld für Ärzte oder Medizin. Viele meiner Leute leben Zuhause im Exil, weil das Land, das ihnen gehört, verseucht ist, unbewohnbar. Ich komme aus einer matriarchalen Gesellschaft, im Zusammensein mit euch fühle ich eine große Energie.«

Die meisten Frauen kommen aus patriarchalen Gesellschaften, aber auch für sie sind die Erfahrungen der anderen Inspiration und Kraftquelle. Und ihre Beitrag zur atomwaffenfreien Welt? Zeugnis ablegen, sich berühren lassen, aufbegehren, aufklären, einklagen, mobilisieren, umwälzen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -