Computer-Crash in New York
Tippfehler oder Griechenland-Unruhe lassen die Finanzmärkte erzittern
An der Wall Street hat nach einem Handelstag des Schreckens die Suche nach den Schuldigen begonnen. Am Donnerstagnachmittag waren die US-Börsen urplötzlich eingebrochen. In nur wenigen Minuten sackte der Leitindex Dow Jones um 1000 Punkte ab, rund neun Prozent seines Wertes. Für Börsianer und Banken drohte ein Crash. Schließlich war dies nach Punkten der tiefste Fall der Aktienkurse in der über hundertjährigen Geschichte der Wall Street. Kurz darauf kam es wieder zu einer Umkehr, am Ende blieb ein Minus von drei Prozent.
Der Kurssturz an der kapitalstärksten Börse ließ weltweit die Finanzmärkte erzittern. In Japan drohte ein schwarzer Freitag, bis die Notenbank eingriff und Bankkredite von umgerechnet 17 Milliarden Euro bereitstellte.
Als Grund für das Desaster wurden zunächst ein Computerfehler oder menschliches Versagen ausgemacht. Mittlerweile verdichtet sich der Verdacht, dass die Gründe der Fast-Panik tiefer liegen. Die Griechenland-Krise hat die Akteure auf den Weltfinanzmärkten zutiefst verunsichert. Die zögerliche Hilfe durch die deutsche Regierung und die Spekulation gegen gewichtigere Wackelkandidaten wie Italien und Spanien lassen sogar ein Auseinanderbrechen des Euro nicht mehr unmöglich erscheinen. Die Gemeinschaftswährung ist neben dem Dollar zur zweiten globalen Leitwährung aufgestiegen. Allein China dürfte kaum weniger als eine halbe Billion Euro an Devisenreserven angehäuft haben.
Aufgrund der Unsicherheiten kann auch ein kleiner Missgriff große Wirkung zeitigen. Laut US-Börsenaufsicht SEC könnte sich am Donnerstag Folgendes ereignet haben: Ein Händler wollte Aktien im Wert von 16 Millionen Dollar verkaufen, tippte aber in der Hektik des Geschehens »16 Milliarden« ein. Dies löste automatische Verkäufe aus, die zum Kurssturz führten. Banken, Händler und Fonds lassen komplizierte Computersysteme laufen, die in Sekundenbruchteilen auf markante Bewegungen von selbst reagieren.
Die Politik in Washington will nun Gesetzesinitiativen prüfen. Es sei wieder die Gefahr deutlich geworden, dass elektronische Börsenhandelssysteme »am Markt Chaos erzeugen«, erklärte der demokratische Senator Edward Kaufman. Ein »sinnvoller Regulierungsrahmen« müsse her. Das Repräsentantenhaus kündigte für Dienstag eine erste Anhörung an.
Schon früher hatten Tippfehler und Software-Lücken die wichtigsten Börsen New York und London in Angst und Schrecken versetzt. Zu einer Kettenreaktion auf den Märkten kam es aber nicht. In Deutschland hätten die elektronischen Börsenhandelssysteme rechtzeitig gewarnt, versichert Robert Halver von der Baader Bank. Die US-Börse sei trotz des ähnlich dramatischen Computer-Crashs von 1987 technologisch immer noch ein »Entwicklungsland«.
Einige Händler glauben nicht an die Tippfehler-Theorie, sondern halten die seit Tagen herrschende Unruhe über die Krise in Griechenland für den Auslöser: So hatte es am Donnerstag laut Medien genau in dem Moment den größten Ausschlag nach unten gegeben, als Händler Bilder von neuen Demonstrationen in Athen sahen. »Wir erkennen nun, dass Griechenland in den nächsten Jahren eine Depression durchmachen wird«, warnt US-Analyst Peter Boockvar. »Europa ist ein wichtiger Handelspartner von uns, und das bedroht die gesamte globale Wachstumsstory.« Dazu bedarf es keines Tippfehlers.
Lexikon
Früher trafen sich die Händler auf dem Börsenparkett, um Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. Heutzutage findet der Handel in Deutschland und Europa fast ausschließlich elektronisch statt. Kritiker glauben, dass automatisch reagierende Handelssysteme wie Xetra die große Finanzkrise 2008 verschärft haben. In den USA macht der Hochgeschwindigkeitshandel mit Computern etwa 60 Prozent des Volumens aus. hape
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