Wie komponiert man Echos?
Philharmonisches Orchester Cottbus mit einer Uraufführung von Nina Šenk
Wenn es dort regnet, ist es wirklich trostlos. Man möchte sich verkrümeln in die warme Stube und Mendelssohn-Streichquartette hören. Cottbus, so leer und einsam an den Abenden, ist indes eine widersprüchlich sich verändernde Stadt. Deren Väter sparen wie die Stadtväter überall im Land und folgen hartnäckig dem Kulturschrumpfungsmodell, das längst auch im Westen Deutschlands die Theater in Aufruhr versetzt und ihnen mehr und mehr kommerzielle Funktionen aufbürdet.
Diesen Kurs trägt das Cottbuser Staatstheater offenbar nicht mit. Zwar juxt es da auch aus allen Nischen, die Leute wollen eben, so die ewig wiederholte Phrase, fröhliche, mindestens aber klassische Kost. Gleichzeitig gibt es herausfordernde Angebote. In der Musiksparte verdankt sich das dem jungen Evan Christ. Er vollendet jetzt die zweite Spielzeit als Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters. Und inzwischen hat sich manches getan.
Überregional bekannt geworden ist der Konzertspielplan 2009/10. Er enthält eine Serie von acht Uraufführungen, von denen bereits sieben umgesetzt sind. Jeweils kurze, eigens für den Klangkörper komponierte Werke, wechselnd in Machart und Temperament, kamen in den vergangenen Monaten zur Aufführung. Absicht: Die Stücke sollen hellhörig machen, ästhetische Anstöße geben, in jetzige Denkweisen und Klangwelten führen, auch provozieren. Das ist bis jetzt gelungen. Allerdings ist das Cottbuser Konzertpublikum, so scheint es, hoffnungslos überaltert. Unter fünfzig findet man dort fast niemanden. Die Arbeit mit modernen Angeboten kann sich selbstredend mit Jugendarbeit verbinden.
Ganz jugendlich die Slowenin Nina Šenk, bis Spielzeitende »composer in residence« in Cottbus. Eine der erstaunlichsten Begabungen nicht nur unter den Damen der europäischen Szene. Am Wochenende kam an zwei Abenden ihr Beitrag zur Uraufführungsserie: »Echo 2« für Orchester. Ein bündig geformtes, raffiniert instrumentiertes, die Bogenform beanspruchendes Werk, das voller Eifer, voll pulsierenden Gefühls sich bis zu dramatischen Höhen hinaufarbeitet. Am 28. Mai wird im Kunstmuseum Dieselkraftwerk zu Cottbus ihre Ensemblemusik »Schnitt« erklingen, als Uraufführung, mit dem Ensemble Mosaik unter Even Christ. Ihre Bindung an das Haus hat sich allemal ausgezahlt.
Den Abschluss der Serie wird Oliver Schneller bestreiten. Er wuchs im Sudan, in Belgien und auf den Philippinen auf, studierte u.a. an der New Yorker Columbia University und ist Künstlerischer Leiter des Ensembles UnitedBerlin. In seinen Kompositionen sucht er vor allem das Verhältnis von Instrumentalklang und architektonischem Raum zu erkunden. Es lohnt sich, nach Cottbus zu fahren.
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