Das Iran-Abkommen polarisiert
Nachbarstaaten begrüßen Atomvereinbarung, USA verlangen Sanktionen
Auch einen Tag nach der öffentlichen Präsentation ihrer modifizierten Pläne zur Urananreicherung erfährt die iranische Regierung ein ebenso starkes wie unterschiedliches Echo. Es reicht von euphorischer Zustimmung bis zu totaler Ablehnung.
Für die Türkei gibt es in der Sache überhaupt keinen Zweifel. »Das Abkommen ist ein wichtiger Schritt für den regionalen und globalen Frieden«, sagte ihr Außenminister Ahmet Davutoglu am Dienstag in Istanbul. Iran erfülle damit Forderungen der internationalen Gemeinschaft, wobei er an die NATO-Staaten, vor allem die USA, dachte. Mitinitiator Brasilien sprach gar von einem »Sieg der Diplomatie«.
Bei einem Treffen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad mit dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan und dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva war am Vortag vereinbart worden, Uran für einen iranischen Forschungsreaktor im Ausland anzureichern. 1,2 Tonnen niedrig angereichertes Uran aus Iran sollen demzufolge auf türkischem Gebiet aufbewahrt werden, bis der Brennstoff fertiggestellt ist. Dies war eine Forderung des Westens, für deren Durchsetzung vornehmlich die USA auf umfassende, von der UNO zu verhängende Strafmaßnahmen drängen.
Doch das tun sie auch weiterhin. Ungeachtet der veränderten Situation hätten sich die Vetomächte, so US-Außenministerin Hillary Clinton am Dienstag, auf eine neue Resolution geeinigt. »Wir haben in Zusammenarbeit mit Russland und China eine Einigung über einen starken Entwurf erreicht«, sagte Clinton am Dienstag.
Damit geben die USA einmal mehr den Ton in der sogenannten Sechsergruppe vor, zu der weiter die anderen Ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates sowie Deutschland gehören. Die Gruppe verhandelt seit über fünf Jahren mit Iran über dessen Atomprogramm mit dem Ziel, eine eigenständige Urananreicherung durch das Land zu verhindern.
Etwas weniger forsch als sonst war am Montag die französische Reaktion erfolgt. Selbst der gern polarisierende Außenminister Bernard Kouchner hielt sich ungewohnt zurück, indem er sagte, die Antwort müsse letztlich von der Internationalen Atomenergiebehörde kommen.
Russland versucht in puncto Iran eine Art Balance. Einerseits ist man bestrebt, die guten Beziehungen zum Nachbarn Iran ausbauen, andererseits soll damit nicht das gerade verbesserte Verhältnis zu den USA aufs Spiel gesetzt werden. Man blieb daher ganz und gar diplomatisch und kündigte »eine genaue Prüfung der Einigung« an. Ende April hatte Präsident Dmitri Medwedjew zwar Sanktionen gegen Iran als »unvermeidbar« bezeichnet, war aber den auf Sanktionen drängenden USA ausgewichen. China hat die Zusage Irans, Uran nun im Ausland anreichern zu lassen, dagegen ungewohnt offen begrüßt. »Wir unterstützen dieses Abkommen«, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Peking bleibe bei seiner Doppelstrategie, Druck auf Iran auszuüben und sich zugleich für eine Verhandlungslösung stark zu machen. Inwiefern die Positionen Chinas und auch Russlands mit dem von Clinton verkündeten »starken Entwurf« in Einklang zu bringen sind, blieb gestern offen, weil der Text jenes Entwurfs noch nicht bekannt war.
Das Berliner Auswärtige Amt wiederholte seine grundsätzliche Kritik am iranischen Atomprogramm, wollte sich aber nicht sehr aus dem Fenster lehnen. Man habe noch keine genaue Kenntnis, befand ein Regierungssprecher.
Einhellig positiv ist dagegen die Reaktion in den benachbarten arabischen Staaten wie auch der Mehrzahl der afrikanischen und lateinamerikanischen Länder. Von einer weltweiten Isolation Irans wegen seines Atomprogramms, von der auch die Bundesregierung bislang wie selbstverständlich sprach, kann spätestens jetzt nicht mehr die Rede sein.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.