Elbphilharmonie mit Dissonanzen
Hamburgs Vorzeigekonzerthaus feierte Richtfest / Kritik an Kosten
Ein »Jahrhundertbauwerk« für Hamburg oder einfach nur ein gigantisches Finanzdesaster – ein Millionengrab? Am Freitag feierten 1200 handverlesene Gäste Richtfest für das ehrgeizige Projekt Elbphilharmonie Hamburg. Draußen protestierten eine Handvoll Demonstranten des Netzwerkes »Recht auf Stadt«. In dem 1964 erbauten Kaispeicher A, in dem bis in die 1990er Jahre Tee, Kaffee und Kakao lagerten, soll ein neues Konzerthaus für die Hansestadt entstehen. Der Rohbau ist mittlerweile fertiggestellt. Doch die Kosten für das Projekt sind aus dem Ruder gelaufen, die Beteiligen liegen im Dauerclinch miteinander, streiten gar demnächst vor Gericht.
Symbol der Verschwendung
Noch im Jahr 2005 war die Rede von insgesamt 77 Millionen Euro Kosten, mittlerweile belaufen sich die Schätzungen auf 323 Millionen Euro, vermutlich werden es noch mehr werden. Die »Süddeutsche Zeitung« sprach gar vom »größten Bauskandal der Republik«. Die Linksfraktion in der Bürgerschaft erklärte: »Die Elbphilharmonie ist in Hamburg zum Symbol für die Verschwendung öffentlicher Gelder, Irreführung der Öffentlichkeit und ökonomische Inkompetenz des Hamburger Senats geworden.« Es entstehe ein »Symbol für Eliten«, eine »Kultur für wenige«.
Am Anfang stand eine Idee von Freunden der klassischen Musik. Wie wäre es, wenn man den leerstehenden Speicher, der in einer exponierten Stelle im Hamburger Hafen steht, in ein Opernhaus umbauen würde? Sponsoren sollten das Unternehmen finanzieren. So geschah es auch – zumindest anfangs. 68,4 Millionen sind nach Angaben der Stiftung Elbphilharmonie durch Spenden zusammengekommen, den Rest sollte die Stadt tragen. 2004 brachte der damalige Senat, bestehend aus CDU, FDP und der rechtspopulistischen Schill-Partei, das Vorhaben auf den Weg. Das renommierte Schweizer Architektenbüro Herzog & de Meuron übernahm die Planung. Der Baukonzern Hochtief wurde mit der Umsetzung beauftragt.
Doch nicht nur die Kosten explodierten. Kurz vor dem Richtfest wurde bekannt, dass das Architektenbüro Herzog & de Meuron eine 39-seitige Mängelliste erstellt hatte, die Hochtief ein denkbar schlechtes Zeugnis ausstellt. Die Mängelstatistik weist 4494 Baufehler aus, von denen aber mittlerweile 1398 korrigiert worden sein sollen. Hochtief beschwichtigt. »Es handelt sich dabei um ganz normale Mängel, wie sie bei jedem Bau auftreten«, erklärt Konzernsprecherin Jutta Hobbiebrunken. Der gravierendste Mangel betrifft das Herzstück des Baus, den Konzertsaal. Dieser soll – so die Planung – auf Federpaketen ruhen. Einige dieser Federpakete seien aber schief eingebaut worden. Die mögliche Folge: Die Akustik des Konzertsaal könnte leiden, Störgeräusche von außen wie etwa das Tuten eines Schiffshorns könnten im Saal zu hören sein. Eine Katastrophe für das ehrgeizige Projekt.
Gäste in Limousinen
Freitagvormittag vor dem Rohbau der Elbphilharmonie. Das Richtfest soll offiziell um 11 Uhr beginnen. Geladene Gäste entsteigen schweren Limousinen. Noch fehlt Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Demonstranten haben sich weiße Gewänder angezogen, im Haar Efeublätter befestigt und singen: »Ein Schandmal, ein Schandmal für die Reichen, ein Schandmal für die Stadt!« Und weiter (nach der Melodie von »It’s a Heartache« von Bonny Tyler): »Wir sind die Römer, superreiche Römer.« Dabei werfen sie »Geldscheine« mit dem Aufdruck »350 000 000 Euro« unter die anreisenden Gäste, die das Spektakel nach Möglichkeit ignorieren. Nervös gewordene Polizeibeamte schleppen Absperrgitter vor die maximal zwölf Sänger und Sängerinnen. Schließlich rollt der Dienstwagen mit von Beust vor, es kommt Bewegung in die Menge, die Polizisten postieren sich schützend vor dem Senatschef, der vom NDR interviewt wird. Auf der Elbe tuckert eine Schaluppe mit zwei Elbphilharmonie-Gegnern und einem Spruchband: »Elphi entern!«
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