P-Frage wird auf die Spitze getrieben
Von der Leyen – fragwürdige Favoritin für die Köhler-Nachfolge
Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler sollte es nicht schwer fallen, einen Nachmieter in den verwaisten Bellevue-Palast zu delegieren. Jeder der 1244 Mitglieder der Bundesversammlung darf dem Bundestagspräsidenten theoretisch einen Vorschlag zur Lösung der P-Frage, der Präsidentenfrage, unterbreiten. Bisher sind kaum zwei Dutzend Namen genannt. Da ist noch viel Luft. Große Debatten zur Wahl hat der Gesetzgeber ebenfalls nicht vorgesehen. »Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt.« Und: »Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebensjahr vollendet hat.« Allenfalls eine gewisse Geduld für das Erreichen der eigenen Reifestufe wird also vorausgesetzt. Der bisher jüngste Bundespräsident war Walter Scheel, er wurde mit 54 Jahren Bundespräsident.
Eine gewisse Entkrampfung im Amtsverständnis der großen Politik zeigt sich nun in der Person von Ursula von der Leyen, auf die die Suche in der Regierungskoalition zuzulaufen scheint. Kanzlerin Angela Merkel selbst soll sie am Dienstag vorgeschlagen haben. Denn von der Leyen ist erst 51, würde also die bisherigen Rekorde in präsidialer Jugendlichkeit brechen. Und wenn sich – quasi postum – der längst vergessene Vorschlag des bereits in Vergessenheit geratenden Bundespräsidenten Horst Köhler durchsetzen würde, das Staatsoberhaupt in einer Volksabstimmung direkt zu wählen, wäre die Bundesarbeitsministerin klare Favoritin. In einer Umfrage sprachen sich 34 Prozent für sie aus, der Zweitplatzierte war Christian Wulff mit 13 Prozent.
Doch die Tochter des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht hat nicht nur in der kritischen Onlinegemeinde einen Feind, der sie wegen ihrer Internetsperren-Ideen als Familienministerin der letzten Bundesregierung gern Zensursula nennt. Die siebenfache blonde Mutter mit dem Mädchencharme muss auch vielfache Zweifel an ihrer Kompetenz über sich ergehen lassen, die abseits ihrer Sympathiewerte gehegt werden. Die in konservativer Großbürgeridylle aufgewachsene Frauenärztin ist nicht nur als Spätstarterin unter Umständen die politische Karriereleiter hinaufgefallen, die vor allem für ein tadelloses Verhältnis zu ihrem einflussreichen Vater sprechen. Ihrem Image als Vertreterin familiärer Emanzipation zum Trotz hat sie sich mit ihren ministeriellen Projekten als Vollstreckerin konservativer Glaubenssätze gezeigt – davon zeugt das Elterngeld, das sozial schwache Familien ausklammert, ebenso wie der jüngste Vorschlag einer »Bürgerarbeit« für Hartz IV-Betroffene.
Zudem begleitet ein schwerer Anfangsverdacht ihre mögliche Kandidatur: Dass sie willfähriger Herold des aktuellen Regierungshandelns wäre, schließlich startete sie mitten aus diesem Handeln heraus. Die Parteichefin der LINKEN Gesine Lötzsch hat deshalb ihre Abneigung gegenüber der eventuellen Kandidatur von der Leyens deutlich gemacht. Hinzu kommt, dass ihren frei werdenden Posten an der Spitze des Arbeitsministeriums der nach der verlorenen Wahl in NRW im Weg stehende Ministerpräsident Jürgen Rüttgers übernehmen soll. Eine bequeme Lösung für Merkel, aber keine, die wenigstens einen überparteilichen Schein wahrt.
Kandidaten sind genannt. Etwa Entertainer Stefan Raab oder Martin Walser, ins Gespräch gebracht von Heinz-Rudolf Kunze. Doch bevor es der einstige Berliner Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen wird oder Joachim Gauck, ist es besser, der jetzige Interimspräsident, der Bremer OB Jens Böhrnsen, bleibt im Amt.
»Nach drei schweren Zwischenfällen (Käßmann, Koch, Köhler) ruft die Deutschland AG ihre öffentlichen Persönlichkeiten der K-Baureihe zu einer eingehenden Überprüfung ins Werk zurück. Grund sind die offenkundigen Probleme an der Rücktrittbremse. Öffentlichkeit und Medien werden gebeten, mit den verbliebenen Vertretern der K-Reihe (z.B. Kardinäle, Kanzlerin, Kabriel) bis zur endgültigen Problemklärung behutsam umzugehen.«
(Wochenspruch der »Suppenbar« in Dresden)
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