Hopfen und Malz – gut für die Balz
Münchens Oktoberfest wird bereits vorbereitet / Bürgermeister Ude wird auch diesmal Paare trauen
München. Sie haben sich gefunden. Inmitten dichten Gedränges, dröhnender Musik, abgenagter Hähnchenschenkel und halb leerer Maßkrüge. Das Oktoberfest ebnet den Weg zwischen den Geschlechtern. In der Enge des Bierzelts, beschwingt von Gerstensaft und Musik, kommt man sich leicht näher. »Hopfen und Malz erleichtern die Balz«, stellt Festleiterin Gabriele Weishäupl fest, die derzeit die Feiern zum 200-jährige Bestehen vorbereitet. Vom 18. September bis 4. Oktober werden zum größten Volksfest der Welt sechs Millionen Besucher erwartet – die Auswahl zum Anbandeln und Flirten ist groß. Doch gar nicht so selten wird aus dem Flirt ein Bund fürs Leben.
Maria und Simon trafen sich am ersten Wiesndonnerstag 2006. »Es war eigentlich ein völlig normaler Wiesnabend«, sagt die 29-jährige Münchnerin, die zuvor schon unzählige Oktoberfestbesuche hinter sich gebracht hatte, ohne den Richtigen zu treffen. »Ich glaube, dass sowas ein richtig großer Zufall ist.« Grundsätzlich sei das Oktoberfest zum Kennenlernen sogar ungeeignet. Man komme zwar leicht ins Gespräch – dafür aber seien viele Männer betrunken, was nicht sehr anziehend wirke.
An dem betreffenden Abend war Simons Gruppe in der Enge des Bierzelts am Tisch mit Marias Freunden zusammengerückt. Er habe sich mit einem der Männer endlos über Fußball unterhalten – »und ich dachte nur: oh Gott.« Inzwischen sind Maria und Simon zusammengezogen – Heirat nicht ausgeschlossen.
Für Martina Wintersperger brachte der erste Wiesnbesuch 1997 gleich das Glück ihres Lebens. »Einmal Wiesn – seitdem sind wir zusammen«, berichtet die Altenpflegerin aus dem Schwarzwald, die damals eine Freundin bei München besuchte. Auch bei ihr war das begrenzte Platzangebot mit schuld: Eigentlich hätten die beiden Freundinnen einer Herrenrunde mit Reservierung Platz machen müssen. »Die Herren haben uns freundlicherweise erlaubt, am Tisch zu bleiben.« Zu später Stunde wurden Adressen ausgetauscht. Inzwischen haben Martina und Bernd Wintersperger zwei Kinder, seit acht Jahren sind sie verheiratet.
Bayern und Sächsinnen
Damit folgten sie genau der Tradition des Volksfestes und seiner Entstehung. »Erinnern wir uns an den Grund der Gründung des Oktoberfests«, sagt Weishäupl. »Es war eine Hochzeit!« Das Volksfest entstand aus den Hochzeitsfeierlichkeiten von Kronprinz Ludwig, dem späteren König Ludwig I., mit Prinzessin Therese von Sachsen- Hildburghausen vom 12. bis 17. Oktober 1810.
Manches Wiesn-Paar hat es inzwischen bis zur Goldenen Hochzeit gebracht. Vor zwei Jahren reisten Brigitta und Arnold, beide über 70 Jahre alt, aus dem Ruhrgebiet an, um ihr Kennenlernen nach 50 Jahren im Bierzelt nochmals stilgerecht zu feiern. Denn keineswegs dient die Wiesn nur Einheimischen als Kontaktbörse: Zum 200-jährigen Jubiläum wird Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) der Tradition folgend drei bayerisch-sächsische Paare trauen. Dutzende Bayern und ihre Sächsinnen hatten sich für die Traumhochzeit beworben – und viele haben sich laut Ude, der einen Teil der Bewerbungen persönlich prüfte, auf dem Volksfest kennengelernt.
Nicht nur aus allen Teilen Deutschlands, auch aus Italien, Amerika, Japan und aus ganz Europa strömen die Besucher aufs Oktoberfest, allen voran die Italiener. Sie wollen das »orgiastische, ekstatische Flair« und die »Erotik der Masse« erleben, wie Weishäupl erläutert. »Dieses Thema wird natürlich gepflegt, das ist auch der Festleitung nicht entgangen.« Es wird getrunken, geküsst. Und manchmal geht es auf dem Gelände sogar zur Sache – was verboten ist und empfindlich geahndet wird. Vor einigen Jahren etwa wurden eine Krankenschwester und ihre beiden Begleiter kurzzeitig festgenommen, weil sie im Riesenrad versucht hatten, einen Porno zu drehen.
Man will was erleben
Die Herausgeberin des Buches »Wiesn-Liebe« und langjährige Wiesn-Reporterin Claudia Wessel fand ihren Partner ebenfalls auf dem Oktoberfest, auch er hatte sich zufällig an ihren Tisch gesetzt. »Ich habe ihm im letzten Moment meine Visitenkarte in die Tasche gesteckt.« Schließlich sei es im Gedränge zu zeitraubend, Telefonnummern aufzuschreiben. Sie glaubt: »Die Wiesn ist gut zum Anbandeln, weil man in guter Stimmung ist. Alles ist schön bunt.« Das Karussellfahren wirke wie der Alkohol anregend, und: »Warum geht man schon hin? Man will was erleben!«
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