Landarztpraxis im Bus
Krankenkassen diskutieren über neue Versorgungsformen
Dem zunehmenden Mangel an niedergelassenen Allgemeinmedizinern in ländlichen Regionen der Bundesrepublik steht eine Gesamtzahl an Ärzten gegenüber, die so hoch ist wie noch nie. Aber gerade die abgelegenen Gebiete, darunter deindustrialisierte Brachen in den neuen Bundesländern oder von hoher Abwanderung betroffene Landkreise im Westen, haben es zusätzlich mit einer alternden Bevölkerung zu tun, die immer häufiger mehrfach chronisch krank ist. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen. Besonders hart trifft das etwa Sachsen-Anhalt – die Bevölkerung nimmt dort bis 2050 stärker ab als im Durchschnitt selbst der östlichen Länder, so Burkhard John, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) des Bundeslandes. Schon 2025 beträgt der Einwohneranteil der über 80-Jährigen dort knapp neun Prozent. Hinzu kommt außerdem, dass 17 Prozent der Hausärzte bereits über 63 Jahre alt sind. Es werde immer schwieriger, Nachfolger für die Praxen zu finden. Aus Johns Sicht muss die Allgemeinmedizin auch an den Universitäten weiter gestärkt werden. Lediglich an 14 von mehr als 36 medizinischen Fakultäten gibt es derzeit Lehrstühle für Allgemeinmedizin.
Im Mittelpunkt der Lösungsansätze stehen neue Strukturen einer Hausarztpraxis. Für die Experten von den Krankenkassen sind mehrere Varianten vorstellbar: Allgemeinmediziner könnten auch als Angestellte der Kassenärztlichen Vereinigungen oder sogar der Krankenkassen tätig werden. Den Patienten ist es eher gleichgültig, wem ein Medizinisches Versorgungszentrum gehört. Wichtiger sind ihre Bedürfnisse danach, alle Diagnose- und Therapiemöglichkeiten unter einem Dach zu finden, besonders, wenn sie etwa gehbehindert sind oder kein eigenes Auto haben.
Neben einer Vielfalt von möglichen Kooperationsformen verwies auch Johann-Magnus von Stackelberg, Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen, auf weitere Probleme, die gelöst werden müssten: Die Ärzte selbst könnten mobiler werden und in Bussen oder Filialpraxen tageweise in Gemeinden arbeiten, anderenfalls sei der Transport der Patienten in die Praxen zu sichern. Außerdem könnten über regelmäßige Arbeitszeiten oder Teilzeitarbeit insbesondere jüngere Ärzte und Ärztinnen für die Arbeit auf dem Land gewonnen werden. Möglich seien Honorarabschläge für Praxen in überversorgten Regionen sowie Zuschläge in unterversorgten Gebieten. Bei der Abwanderung von jüngeren Medizinern in andere Länder könnte deren Beteiligung an den Ausbildungskosten in Erwägung gezogen werden. Unabhängig davon wiesen Kassenvertreter wie Ärzte darauf hin, dass der Vernichtung von Arbeitsplätzen und in der Folge von Infrastruktur nicht allein mit finanziellen Anreizen für Mediziner zu begegnen sei.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!