Parteitage satt in Finnland
Gleich drei der vier Koalitionspartner versammelten sich am Wochenende
Nicht nur von der kaum glaublichen Anzahl ihrer Delegierten her (Knapp 2500 versammelten sich in Lahti!), sondern auch in Hinblick auf die Bedeutung der personell zu treffenden Entscheidungen war der Parteitag der immer noch stark ländlich geprägten Zentrumspartei zweifellos der wichtigste. Immerhin war mit der Wahl der 41-jährige Mari Kiviniemi zur Parteichefin zugleich die Entscheidung über die Regierungschefin für den Zeitraum bis zu den nächsten Parlamentswahlen im April 2011 verbunden.
War doch nach den Reichstagswahlen 2007 und den damaligen Absprachen zwischen den heutigen Regierungsparteien die Besetzung des Ministerpräsidentenpostens der Zentrumspartei als größter Partei zugesprochen worden. Aufgrund mehrerer korruptionsverdächtiger Rechtsfälle (vor allem im Bereich der Parteifinanzierung und Wahlspenden) sowie skandalträchtiger persönlicher Liebesaffären des Premiers Matti Vanhanen hat die Zentrumspartei aber erheblich an Einfluss in der Wählerschaft verloren. Am 22. Juni soll er von Kiviniemi abgelöst werden.
Die großbürgerliche Sammlungspartei sieht sich seit nunmehr gut zwei Jahren mit etwa 23 Prozent als die stärkste im finnischen Parteiensystem. Die Vorstandsspitze dieser Partei fuhr politisch symbolträchtig nahezu geschlossen per Eisenbahn zum Ort ihres Kongresses in Jyväskylä, um sich neben der Wiederwahl ihres 1. Vorsitzenden Jyrki Katainen, der das Amt des Finanzministers innehat, in letztlich doch recht unverbindlicher Weise mit umweltpolitischen Themen zu befassen. Die beinahe schon tragikomisch anmutenden Affären des Parteivorständlers Ilkka Kanervas, der vor zwei Jahren wegen öffentlich gewordener SMS-Liebesgeständnisse an eine Erotiktänzerin seinen Posten als Außenminister verlor und nunmehr per Facebook eine Minderjährige zu verführen trachtete, landeten als »Privatangelegenheit« mit dem parteirituell üblichen »Blick nach vorn« unter dem sprichwörtlichen Teppich.
Als dritte bürgerliche Regierungspartei hielt die Schwedische Volkspartei (SFP) ihren Kongress in Tampere ab. Wie die Zentrumspartei und die Sammlungspartei sprach sich auch die SFP in oftmals nahezu gleichlautenden Formulierungen dafür aus, lieber den Massenkonsum zu besteuern und die Lebensarbeitszeit zu verlängern statt Unternehmen oder größere Vermögen zu besteuern. Deutlichere Abweichungen zu den beiden größeren bürgerlichen Parteien gab es in zwei Bereichen. In der Einwanderungspolitik zeigt die SFP ihre Bereitschaft zu größerer Flexibilität, nicht zuletzt mit Blick auf künftige Arbeitskraftdefizite für die finnische Wirtschaft.
Ein nicht nur für diese Partei, sondern insgesamt gravierendes Problem bleiben die Interessen der Finnlandschweden. Sie stellen etwa 8,5 Prozent der Gesamtbevölkerung dar und Finnlandschwedisch ist verfassungsgemäß als Nationalsprache verankert. Im Zuge einer vom kapitalistischen Rationalisierungsgeist getragenen Einschränkung bisheriger Rechte und öffentlicher Dienstleistungen wendet sich die SFP gegen die geplante Verwaltungsreform der bisherigen Ministerin für Kommunalangelegenheiten und designierten Regierungschefin aus der Zentrumspartei, Mari Kiviniemi.
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