Der Ostseehering erholt sich

Experten fordern dennoch Kürzung der Fangquoten – zum Ärger der Fischer

  • Martina Rathke, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Wissenschaftler fordern für weitere drei Jahre eine drastische Reduzierung der Heringsfänge in der Ostsee. Die Fischer dort akzeptieren die Begründung nicht.

Rostock/Stralsund. Der Verband der Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern muss die schlechteste Jahresbilanz seit 1990 präsentieren. Die ostdeutschen Küstenfischer setzten im vergangenen Jahr 6,1 Millionen Euro um, im Jahr davor waren es noch 8,3 Millionen Euro. Zwar stiegen die Preise pro Kilogramm Hering. Doch durch die extrem zusammengestrichenen Fangmengen beim »Brotfisch« Hering blieb für jeden Einzelnen nur wenig übrig. Allein seit 2007 haben sich die Fänge halbiert.

Doch es könnte noch schlimmer kommen. Kurz vor dem gestrigen Verbandstag der Fischer forderten Wissenschaftler für weitere drei Jahre drastische Einschnitte bei den Fangmengen. Zwar seien 2009 im Greifswalder Bodden, der Kinderstube des westlichen Heringsbestandes, erstmals seit fünf Jahren wieder mehr Jungtiere registriert worden. Diese müssten jedoch erst heranwachsen, um einen stabilen Heringsbestand garantieren zu können, sagt Christopher Zimmermann vom Institut für Ostseefischerei in Rostock. Er hält deshalb weitere Kürzungen um weit über 20 Prozent für erforderlich. Festgelegt werden die Fangquoten für 2011 von der EU-Kommission. Dass es zu erneuten Kürzungen kommen wird, scheint sicher. Grundlage für die Brüssler Festlegung sind die Empfehlungen des wissenschaftliches Rates ICES, der Ende Juni seinen Bericht veröffentlichen wird. In dem Gremium sitzen auch Biologen des Instituts für Ostseefischerei. »Für uns ist eine solche Kürzung fatal«, sagt Norbert Kahlfuß, Vorsitzender des Verbandes der Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern. Im politischen Gerangel um Quoten fühlen sich die Fischer machtlos. Im Gegensatz zu den Umweltschützern hätten sie keine gleichwertige Lobby in Brüssel, beklagt Kahlfuß. Den Untersuchungen der Biologen setzen die Fischer ihre Erfahrungen entgegen. Und die sagen: Es gibt ausreichend Hering an der Ostseeküste. Weil in diesem Jahr so viel Hering vor der Küste schwamm, habe man mit deutlich weniger Netzen mehr Fisch fangen können.

Allein 2009 hängten an der mecklenburg-vorpommerschen Küste mehr als 20 Fischer ihre Netze an den Nagel – nicht nur aus Altersgründen. Denn von den Einnahmen blieben kaum Gewinne übrig: Die Jahreserlöse der landesweit noch 256 Küstenfischer lägen im Schnitt bei unter 24 000 Euro, sagt Kahlfuß. Davon müssten Diesel, Netze, Versicherungen, Reparaturen, Hafengebühren und Sozialbeiträge bezahlt werden.

Eine offene Flanke für den Missmut der Fischer bieten die Biologen selbst. Noch immer ist unklar, warum es fünf Jahre lang zu den drastischen Einbrüchen bei der Jungheringspopulation kam.

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