Freiwillig funktioniert nicht

  • Nina Katzemich
  • Lesedauer: 3 Min.
Nina Katzemich arbeitet für die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol.
Nina Katzemich arbeitet für die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol.

Zwei Jahre ist das Lobbyregister der EU-Kommission am Mittwoch alt geworden. Zwar wollen wir der EU-Kommission dazu gratulieren, dass sie – im Gegensatz zur deutschen Politik – überhaupt die Initiative für ein Lobbyregister ergriffen hat. Die daran gesetzte Erwartung allerdings, dass im Brüsseler Lobbydschungel Transparenz geschaffen würde, ist enttäuscht worden. Nach wie vor hat die europäische Öffentlichkeit kaum Einblick, was etwa 15 000 Lobbyisten in Europa treiben und wer mit welchem Geld welche Entscheidungen beeinflusst.

Es war von Anfang an ein Fehler der EU-Kommission, sich auf das Drängen der Brüsseler Lobbyisten hin auf ein freiwilliges Register einzulassen, statt – wie ursprünglich geplant – ein verpflichtendes einzuführen. Der Ansatz, davon auszugehen, dass sich die Brüsseler Lobbyszene schon freiwillig in ein Register eintragen wird, kann endgültig für gescheitert erklärt werden.

Unsere Zahlen zeigen: Nur 1068 Organisationen beziehungsweise Unternehmen haben sich in das Brüsseler Lobbyregister aufnehmen lassen. Das Europäische Parlament geht jedoch von über 2800 Lobbyeinrichtungen in Brüssel aus. Nach den bisherigen Schätzungen haben sich damit deutlich weniger als die Hälfte der in Brüssel ansässigen Lobbybüros eintragen lassen. Schlüsselakteure wie Lobbyberatungen und Unternehmensniederlassungen sind massiv unterrepräsentiert. In einer Studie zeigten wir mit unserem Brüsseler Netzwerk ALTER-EU im März 2010 auf, dass gerade einmal 40 Prozent der in Brüssel bekannten Agenturen und Büros, die Lobbyberatung und -dienstleistungen anbieten, im Register eingetragen sind. Eine Studie von »«Friends of the Earth Europe« hat gezeigt, dass sich 20 von Europas 50 größten Firmen nicht registrieren lassen haben. Anwaltskanzleien, die eine wichtige Rolle im Brüsseler Lobbyismus spielen, erklären nach wie vor, dass sie sich aufgrund rechtlicher Vorgaben nicht eintragen können. Viele und namhafte Thinktanks boykottieren das Register.

Die Kommission muss endlich eingestehen, dass sie aufgrund dieser erdrückenden Fakten nicht länger von einem Erfolg des Registers sprechen kann. Auch wenn das unbequem ist. Denn der ursprünglich zuständige Kommissar Siim Kallas hatte versprochen, ein verpflichtendes Register einzuführen, falls das freiwillige nicht funktioniert.

Eine Chance bietet sich jetzt: Derzeit diskutiert eine hochrangige Arbeitsgruppe ein gemeinsames Lobbyregister für Kommission und Parlament, das im Juni 2011 in Angriff genommen werden soll. Die Kommission sollte diesmal die Einflüsterungen der Lobbyisten ignorieren und mittragen, was das Parlament schon lange will: ein verpflichtendes Register für alle Lobbyistinnen und Lobbyisten, die weiterhin mit Kommission und Parlament in Kontakt treten wollen.

Auch muss die Arbeitsgruppe sich daran machen, in einem gemeinsamen Register der beiden Institutionen für brauchbare und vergleichbare Angaben zu sorgen. Das bestehende Register enthält zahlreiche Schlupflöcher. Zum Beispiel muss endlich definiert werden, was eigentlich genau in das Lobbyregister gehört. Ansonsten werden Unternehmen weiterhin die unklaren Anforderungen zur grenzenlosen Untertreibung ihrer Lobbykosten nutzen. So flog der Verband der europäischen Chemieindustrie CEFIC im Jahr 2009 vorübergehend aus dem Register, weil er für seine 170 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Brüsseler Dependance ein Lobbybudget von gerade einmal 50 000 Euro angegeben hatte. Zum Vergleich: Der Dachverband nationaler Umweltorganisationen, »Friends of the Earth«, gibt mit seinen 20 Beschäftigten ein Lobbybudget von zwei Millionen Euro an.

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