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»Ein geiler Gegner«
Nach dem 1:0 gegen Ghana freuen sich die Deutschen auf England
Jens Mende, dpa
Die lähmenden Versagensängste sind weg, nach der Reifeprüfung gegen Ghana kann Joachim Löws Team nun mehr gewinnen als verlieren. Der erlösende Schlusspfiff nach dem 1:0-Zittersieg in Johannesburg war kaum verklungen, da kreisten die Gedanken nur noch um den Achtelfinalknüller gegen England. »Ein geiler Gegner«, meinte Youngster Thomas Müller voller Vorfreude. Aber Routinier Arne Friedrich mahnte, dass Euphorie allein gegen den Erzrivalen nicht ausreichen wird: »Wir haben kein gutes Spiel gemacht gegen Ghana. Diese Leistung wird gegen England nicht reichen – in allen Mannschaftsteilen.«
Joachim Löw grübelte schon in der Nacht über den nächsten WM- Schlachtplan, in dem ihn ein zentrales Fragezeichen bis zum Showdown am Sonntag um 16 Uhr in Bloemfontein um den Schlaf bringen könnte. Der Einsatz von Mittelfeldchef Bastian Schwein-steiger ist wegen einer Oberschenkelverhärtung gefährdet, auch der gegen Ghana eingesetzte Abwehrspieler Jérome Boateng droht mit einer verhärteten Wade auszufallen. »Bei beiden wird es kritisch«, berichtete Assistent Hansi Flick. Die medizinische Abteilung pflegt Schweinsteiger rund um die Uhr. Notfallpläne mit Toni Kroos müssen aber erwogen werden.
Löw weiß, dass alles passen muss, um die Engländer zur Not auch wieder im Elfmeterschießen zu schlagen und danach wie bei der WM 2006 erneut die Argentinier im Viertelfinale herausfordern zu dürfen. »Auch wenn England bislang nicht die allerbeste Form gezeigt hat – diese Mannschaft ist mit hervorragenden Spielern besetzt, ob Gerrard, Lampard, Cole und natürlich Wayne Rooney. Sie ist brandgefährlich«, erklärte Löw. »Sollte Schweinsteiger ausfallen, wäre das für unser Spiel nicht gerade von Vorteil.«
In Windeseile müssen die vielen Turnier-Neulinge um Torschütze Mesut Özil und Torhüter Manuel Neuer in Südafrika ganz neue Drucksituationen aushalten und immer größere Aufgaben meistern. »Für so eine junge Mannschaft ist es gut, in einem Spiel um alles oder nichts durch so ein Stahlbad zu gehen«, hofft Löw auf einen wichtigen Erfahrungsgewinn aus dem Ghana-Spiel. »Der Rucksack, den man aufhatte, war groß und schwer«, hatte auch Flick beobachtet.
Es ist ein Leben in Extremen, wie bei Özil. Erst vergab der 21-Jährige eine Großchance (25.), dann traf er traumhaft aus der Distanz (60.). »Ich bin erleichtert, dass ich mein erstes Turniertor gemacht habe«, sagte der Bremer. »Nachdem er eine große Chance vergeben hatte, hat er mit aller Entschlossenheit den Ball im Tor versenkt«, lobte Löw den jungen Spielmacher.
Nur kurz konnten Özil & Co. durchatmen und sich bei der nächtlichen Rückkehr ins Quartier an einem Feuerwerk erfreuen. »Es geht jetzt ratz-fatz«, sagte Per Mertesacker, der gegen Ghana nicht den sichersten Eindruck gemacht hatte. »Wir müssen uns enorm steigern, um gegen England mithalten zu können«, sagte der Bremer selbstkritisch.
Auch Löw weiß, dass die Gratwanderung weitergeht: »Völlig befreit aufspielen kann man bei einem Turnier nie. Bei einer WM ist jedes Spiel mit Druck behaftet. Das erleben auch Mannschaften, die mit erfahrenen Klassespielern gespickt sind.« Aber befürchten müsse man nun nichts mehr, sagte Löw nach dem abgewendeten ersten deutschen WM-Vorrunden-K.o.
Vor dem 32. Prestige-Duell Deutschland gegen England wird sich die Stimmung noch hochschaukeln. Die Engländer sind ohnehin schon sauer auf Franz Beckenbauer, der ihnen einen Rückfall in unselige Zeiten des »kick-and-rush« vorgehalten hatte. Diese Ansicht teile er nicht, versicherte Flick am Donnerstag den englischen Reportern und schloss an: »England hat sicherlich die Favoritenrolle in diesem Spiel.«
Besonderen Respekt löst der Name Wayne Rooney aus, auch wenn Englands Torjäger bei der WM bislang torlos blieb. »Bei ihm weiß man, dass er explodieren kann. Dieser Mann ist zu allem fähig. Da wird unsere Abwehr vor eine große Aufgabe gestellt«, warnte Löw. »Wir dürfen auf jeden Fall nicht so viel zulassen wie gegen Ghana, sonst wird es böse«, sagte Arne Friedrich. Vielleicht hilft ein ungeschriebenes deutsches WM-Gesetz, bemerkte der Berliner: »Wir haben den Vorteil, dass Deutschland immer eine Turniermannschaft gewesen ist.«
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