Tutto nero, Italia!
Spott für den ausgeschiedenen Weltmeister
Nach der Blamage gegen die Slowakei und dem ersten WM-Vorrundenaus seit 1974 ist Italien geschockt. Einen Buchstaben nur veränderte die »Gazzetta dello Sport« in ihrer Titelzeile gegenüber dem Triumph von 2006 – und maß damit die ganze Distanz zwischen Himmel und Hölle aus. »Tutto vero« (alles wahr) jubilierte sie vor vier Jahren. »Tutto nero« (alles schwarz) lautete der minimalistische Kommentar diesmal.
Der Katzenjammer ist gewaltig. »Wem kein einziger Sieg gelingt, der hat das Weiterkommen nicht verdient«, sagte der verletzte Nationaltorwart Gianluigi Buffon. Vor allem die Position als Tabellenletzter hinter dem Fußballzwerg Neuseeland schmerzt die stolzen Italiener. Die Tageszeitung »Repubblica« fragte, ob dies die »schlimmste Auswahl der letzten 50 Jahre oder gar für immer« sei.
Zwar bedauerten die Spieler die Art und Weise des Ausscheidens und baten die Fans um Entschuldigung. Aber sie machten nicht den Eindruck, als hätten sie sich viel zugetraut. Selbst der sonst gern im Anschein der Unfehlbarkeit daherkommende Trainer Marcello Lippi bekannte, dass er diese Truppe nicht für finaltauglich gehalten habe. Damit lag der Coach, der auf kreative Stars verzichtet und auf die Kraft des Kollektivs, auf brave, stromlinienförmige Geister gesetzt hatte, wenigstens am letzten Tag seiner Amtszeit auf einer Linie mit den Millionen anderen Auswahltrainern vor Fernsehschirm und Großleinwand.
Einer von Lippis Kardinalfehlern war, an Fabio Cannavaro im Abwehrzentrum festzuhalten. Der schon an der Talfahrt von Juventus Turin nicht ganz unschuldige Innenverteidiger sorgte mit seiner Unsicherheit dafür, dass das Team allein in der Vorrunde fast doppelt so viel Tore kassierte wie im ganzen Turnier 2006. »Das war einer der schlimmsten Abende meines Lebens. So ein Abschied tut weh«, sagte der scheidende Kapitän.
Trainer Lippi erwarb sich immerhin mit einem Schuldeingeständnis Respekt: »Wenn man sich mit Angst in den Beinen und im Kopf präsentiert, bedeutet das, der Trainer hat das Spiel nicht richtig vorbereitet.« Auf seinen Nachfolger Cesare Prandelli kommt nun die Aufgabe eines Neuaufbaus zu. Was wie ein Titanenwerk anmutet, ist laut Serse Cosmi, dem gefeuerten Trainer von Absteiger Livorno, ein Kinderspiel. »Er hat es leicht. Noch schlechter kann die Mannschaft nun wirklich nicht werden«, meinte er.
»Weniger schlecht« ist eine ziemlich bescheidene Güteklasse. Wenn Prandelli nicht mehr gelingt, müssen sich die Tifosi auf ein langes Vesper mit Panini aus Sägemehl einstellen.
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