Vorbildliche Pleite in Würzburg

PPP-Projekt Kommunalverwaltung gescheitert

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Abkürzung PPP (Public-Private-Partnership/Öffentlich-Private Partnerschaft) bezeichnet das Finanzieren und – fallweise – das Betreiben staatlicher Einrichtungen durch Private. Rund 150 PPP-Projekte, an denen die Privaten in der Regel sehr gut verdienen, gibt es derzeit in Deutschland – es geht vor allen um Amtsgebäude, Schulen, Infrastrukturobjekte. In Würzburg sollte ein besonders weitgehendes PPP-Modell realisiert werden.

Früher fühlte sich Würzburg ganz vorn. Hatte sich die unterfränkische Stadt mit ihren 133 000 Einwohnern doch das hehre Ziel gesetzt, sich als »herausragender Kompetenzträger für eine moderne, bürgernahe und technologisch führende Verwaltung zu etablieren«. Möglich werden sollte das durch eine Kooperation mit dem privaten Unternehmen Arvato, einer Tochter des Bertelsmann-Konzerns. 2006 startete dieses PPP-Projekt, die Ankündigungen waren vollmundig.

27 Millionen Euro, so die Versprechungen im Fall Würzburg, sollten mittels PPP in der Verwaltung durch Personalabbau und Einsatz von IT-Lösungen eingespart werden. Von Würzburg aus wollte Arvato dann die deutschen Kommunen erobern.

Ist da noch jemand?

Das Ganze erweist sich allem Anschein nach als Luftblase. Denn vier Jahre nach dem Projektstart gibt es statt großer Worten nur noch dürre Verlautbarungen. Über »Projektfortschritte« werde man »zu gegebener Zeit« informieren, heißt es einsilbig aus dem Rathaus, über »konkrete Einsparungen« könne bisher »keine definitive Aussage« getroffen werden.

Die Würzburger Stadtspitze reagierte damit auf einen Bericht der örtlichen Tageszeitung Mainpost, in dem von einer »ernüchternden Bilanz« und von einer »Sackgasse« die Rede ist. Das Projekt sei »gescheitert, auch wenn kein Beteiligter das so direkt bestätigen mag«.

»Nach meinem Kenntnisstand wird an dem Projekt derzeit nichts mehr gemacht«, meint auch Rainer Thome. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Uni Würzburg hatte das Projekt bis 2008 wissenschaftlich begleitet, dann stieg er aus. Eine wissenschaftliche Begleitforschung gibt es also nicht mehr. »Ich weiß nicht, ob da überhaupt noch jemand zuständig ist«, lautet auch die Auskunft eines Mitarbeiters im Würzburger Rathaus. Was als bundesweit einmaliges Pilotprojekt begann, scheint still und heimlich entschlafen zu sein.

Dabei hatte die Firma Arvato im Bereich der kommunalen Dienstleistungen einen lukrativen Markt gewittert. Zwar wären Umsatz und Gewinn der Sparte »Government Services« noch gering, so Arvato-Vorstandsvorsitzender Rolf Buch seinerzeit bei der jährlichen Bilanzpressekonferenz. Aber bei 1,5 Millionen Beschäftigten in den Kommunalverwaltungen sei ein Einsparpotenzial und somit ein möglicher Markt von rund 20 Milliarden Euro pro Jahr gegeben.

Mit der Privatisierung von kommunalen Verwaltungen hatte Arvato bereits in England Erfahrung gesammelt und für einen dortigen Landkreis seit 2005 einen Teil der Verwaltung übernommen. Dazu gehörten etwa Lohn- und Gehaltsabrechnungen oder der Einzug von lokalen Steuern.

Mit Würzburg sollte dann die Blaupause für den »Markt« der Kommunen in Deutschland geliefert werden. Das Konzept: Durch die Entwicklung einer einheitlichen Datenplattform sollte die Verwaltung effizienter gemacht werden, im Laufe von zehn Jahren wollte man 75 Personal-Stellen einsparen. Das würde 27 Millionen Euro in die Stadtkasse bringen, so der Plan. Davon sollten dem Kämmerer zehn Millionen bleiben und 17 Millionen an Arvato gehen. Die Kosten des Projektes wurden auf rund zehn Millionen geschätzt, bliebe Arvato also ein Gewinn von sieben Millionen.

Konkret war vorgesehen: Arvato misst jeweils, wie viel Zeit ein Verwaltungsvorgang vor und nach der Umstellung in Anspruch genommen hat. Die Einsparungen werden dann auf die Jahre und Personalkosten umgerechnet. Um der Stadt das Pilotprojekt schmackhaft zu machen, übernahm Arvato vorab die Kosten.

Realisiert wurde bisher vor allem ein Bürgerbüro, in dem verschiedene Dienstleistungen aus einer Hand angeboten werden – ein Konzept, das es freilich in anderen Städten längst gibt. Eine gemeinsame Datenplattform für die verschiedenen Verwaltungsvorgänge – quasi das Herzstück des Projektes – und die Kommunikation mit dem Bürger über das Internet aber erwiesen sich laut Mainpost als technisch zu komplex, zu aufwendig. Außerdem gebe es Datenschutzprobleme.

Diplomatische Floskeln

Die Stadt weicht bei Nachfragen aus, Arvato selbst gibt prinzipiell keine Auskünfte zu Kunden und Projekten. Für Professor Thome ist das Projekt allerdings nicht gescheitert, sondern nur »nicht realisiert« worden. Er habe sich davon zurückgezogen, weil keinerlei Fortschritt mehr erkennbar gewesen sei.

Dies führt der Wirtschaftsinformatiker allerdings vor allem auf den Wechsel an der Würzburger Stadtspitze zurück. Der derzeitige SPD-Oberbürgermeister Georg Rosenthal, erst seit 2008 im Amt, machte aus seiner Skepsis gegenüber dem Projekt bislang keinen Hehl. Zur Zukunft gibt man sich derzeit diplomatisch: »Gemeinsamer Wille der Stadt Würzburg und der Arvato AG ist und bleibt es, die Serviceleistungen für die Bürger weiter zu verbessern.«

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