Datenschutz aus der Computersteinzeit
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar über schlechte kleine und fehlende große Datenschutzgesetze
ND: Nach fast 30-jähriger Diskussion soll der Beschäftigtendatenschutz gesetzlich geregelt werden. Am Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums gibt es allerdings von allen Seiten Kritik. Eine lautet, Unternehmen könnten damit nicht mehr die Einhaltung von Verhaltensmaßregeln und Gesetzen überprüfen.
Schaar: Ich halte den Verweis auf Compliance-Vorschriften zum Teil für verfehlt. Tatsächlich geht es hier oftmals nur darum, Mitarbeiter weiter möglichst umfassend kontrollieren zu können, etwa ob sie Kontakte mit Journalisten haben. Aus meiner Sicht könnte der Referentenentwurf im Gegenteil in zentralen Bereichen des Arbeitslebens sogar eine Verschlechterung des Datenschutzes der Beschäftigten bewirken. Vieles bleibt zu weit formuliert, manche Bereiche fehlen ganz. Arbeitgeber erhielten damit Befugnisse, die sogar über die diejenigen von Strafverfolgungsbehörden hinausgingen. Ein bisher rechtswidriger Datenabgleich, der vor einiger Zeit bei der Deutschen Bahn mit einem Bußgeld geahndet wurde, wäre künftig vielleicht zulässig.
Dazu kommt die viel zu weit reichende Erlaubnis, Daten über Bewerber und Beschäftigte im Internet zu recherchieren.
Lohnt sich der Streit an diesem Punkt? Man kann doch nicht kontrollieren, ob Arbeitgeber deshalb jemanden nicht einstellen.
Ich bin da realistisch. Man wird das nicht ganz ausschließen können. Aber es macht doch einen Unterschied, ob man es gesetzlich ausdrücklich erlaubt.
Der Entwurf für den Beschäftigtendatenschutz ist auch in der Koalition umstritten. Unklar ist, ob sich das Kabinett im August überhaupt damit befassen wird. Sie drängen seit Jahren darauf: Wäre Ihnen nun eine Verschiebung sogar auch lieber?
Verbessert sich der Entwurf in den nächsten Tagen umfassend, bin ich natürlich für eine schnelle Verabschiedung. In der jetzigen Form wäre mir eine Verschiebung allerdings lieber.
Die Datenschutzbeauftragten wollen ohnehin viel weiter. Warum ist eine Generalüberholung des Datenschutzrechtes nötig?
Unser Datenschutzrecht stammt aus der Zeit der Großrechner. Vor 30 Jahren hätte niemand gedacht, dass wir heute alle unsere Kommunikationsmittel in der Tasche haben. Zudem ist die strikte Trennung zwischen privat und öffentlich nicht mehr aktuell. Das eigentliche Abgrenzungsproblem ist alt: Ist es statthaft, durch ein Fenster zu fotografieren, wenn keine Vorhänge davor sind? Aber es stellt sich heute noch dringlicher, wenn Millionen Menschen Daten über sich, aber auch über andere, ins Netz stellen, Unternehmen wie Google das gesamte Stadtbild erfassen.
Das Datenschutzrecht regelt jedoch nur den Umgang mit privaten Daten. Die Daten im öffentlichen Raum unterliegen ihm nicht. Sollen die im Netz veröffentlichten Informationen aber wirklich unbegrenzt nutzbar sein? Hier bedarf es eindeutiger Grenzen.
In welche Richtung sollte es sich entwickeln?
Vor allem heißt es, mit der schnellen technischen Entwicklung Schritt zu halten. Aber nicht, indem man für jede neue Technologie einen neuen Paragrafen macht. Da würde man immer hinterherhinken. Stattdessen muss ein modernes Datenschutzrecht Ziele und Werte technikneutral festlegen. Rechte müssen auch durch Technik selbst unterlegt werden. Zum Beispiel könnten die Smartphone-Unternehmen Zusatzprogramme anbieten, durch die der Nutzer selbst abrufen kann, was wie lange gespeichert wird und was damit geschieht. Das machen die Unternehmen bisher leider nicht. Vielleicht, weil dann bei den Nutzern ein großer Aha-Effekt eintreten würde, wie viele Daten tatsächlich gespeichert werden. Weiter müssen wir klären, wie Persönlichkeitsrechte im Internet, wo alles hundertfach kopiert werden kann, geschützt werden. Wir brauchen mehr Verbindlichkeit im Gesetz. Das bedeutet auch wirksamere Sanktionen.
Warum packt das keine Bundesregierung an?
Die Voraussetzungen für eine grundlegende Datenschutzreform sind heute günstiger als noch vor einigen Jahren, weil das Thema breit diskutiert wird. Allerdings wird auch der Regelungsgegenstand immer komplexer. Ich setze darauf, dass die kritische Öffentlichkeit nicht locker lässt und von der Politik konsistente Lösungen einfordert.
Fragen: Ines Wallrodt
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