Rudy Pevenage lupft den Deckel – ein wenig
Der Ex-Berater von Jan Ullrich gesteht, einst die Reisen zum Dopingarzt Fuentes organisiert zu haben
Die Tour de France ist kein Radrennen, sondern eine Kommunikationsplattform. Das ist auch Rudy Pevenage bewusst und just in dem Moment, in dem die Tour in seiner belgischen Heimat ist, trifft der frühere Mentor von Jan Ullrich einen Abgesandten der französischen Sportzeitung »L'Equipe« in einem Brüsseler Flughafenhotel und lupft ein wenig den Deckel, unter dem seine tiefsten Geheimnisse begraben liegen. »Mein Fehler ist, dass ich die Reisen von Jan nach Madrid organisiert habe«, gesteht er. Der Madrider Gynäkologe Eufemiano Fuentes nahm mehreren Radprofis – und Gerüchten zufolge auch ganzen Fußballmannschaften – halbliterweise Blut ab. Er reicherte es zuweilen mit EPO an und ließ es kurz vor wichtigen Wettkämpfen dem Blutkreislauf wieder zuführen. Weil die »Operacion Puerto« der spanischen Polizei dies herausfand, wurde Pevenages Zögling Jan Ullrich (Foto: dpa, 2006) neben einigen anderen Fahrern vor dem Start der Tour de France 2006 in Straßburg vom Wettbewerb ausgeschlossen.
Pevenages plötzlichem Geständnis kommt kein großer Neuigkeitswert zu. Fast möchte man es mit Rolf Aldag halten. Der frühere T-Mobile-Profi dopte zu aktiven Zeiten selbst und sagte am Rande der 5. Etappe als Sportdirektor vom Nachfolgerennstall Columbia: »Das ist alles nicht wahnsinnig überraschend.«
Die Milieustudie, die Pevenage in dem Interview abliefert, ist wegen einiger Details dennoch interessant. Pevenage ist sich sicher, dass »mindestens die Hälfte des Pelotons von Straßburg die gleichen Dummheiten« gemacht habe wie er und Ullrich. Fuentes sei nur einer von mehreren anderen Dopingärzten im Profizirkus. Pevenage meint, alle hätten von den Dopingpraktiken gewusst: »Die Fahrer wechseln den Rennstall und nach einem Monat erzählen alle, was sie bei ihrem letzten Arbeitgeber machten. Das ist eine kleine Welt. Jeder kennt sich.«
Pevenage zeichnet eine Welt, in der das informelle Wissen regiert. Man weiß oder ahnt, was die anderen tun. Untereinander hilft man sich mitunter unkonventionell. Pevenage erzählt: »Am Montag oder Dienstag in der Woche vor dem Start rief mich jemand von ganz oben an und sagte mir, dass man alles tun muss, um zu verhindern, dass Jan hierher kommt. ›Rudy, sag ihm, er soll sich das Schlüsselbein auf der Treppe brechen‹, hieß es«. Wer diese Information gab, um Ullrich aus den Wellen der »Operacion Puerto« herauszuhalten, verrät Pevenage nicht. Die UCI, aus deren Reihen der Informant stammen könnte, will der Sache nicht nachgehen. »Ich bin in Großbritannien. Ich habe die »L'Equipe« noch nicht einmal gelesen«, sagt UCI-Präsident Pat McQuaid auf Anfrage von ND.
Interessant ist, dass Pevenage glaubt, nur deshalb als Reiseplaner von Madrid aufgeflogen zu sein, weil er einmal sein eigenes Handy für einen Anruf bei Fuentes benutzte. »Normalerweise nahm ich ein anonymes Prepaid-Telefon. Beim Giro 2006 wollte ich Fuentes aber von Jans Etappensieg informieren. Ich hatte aber keinen Kredit mehr auf der Karte. Also habe ich mein normales Telefon gebraucht. Ich wusste nicht, dass Fuentes schon abgehört wurde. Hätte ich, wie viele meiner Kollegen, Botschaften per Blackberry ausgetauscht, wäre ich unentdeckt geblieben«, sagt er. Ergo: Hätte Pevenage im Frühjahr 2006 schon zu den ca. 5 Millionen Blackberry-Nutzern weltweit gehört, wäre »El Hijo di Rudijo« möglicherweise nicht enttarnt worden.
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