Mit Goethe und der Welt versöhnt an der Ilm entlang

Der Ilmtal-Radweg führt von Allzunah in den Höhen des Thüringer Waldes über Weimar bis hin an die Saale

Das »Thüringer Weintor« in Bad Sulza
Das »Thüringer Weintor« in Bad Sulza

»Die Gegend ist herrlich, herrlich ...«, schwärmte schon der alte Goethe von seinem Thüringen. Doch sicher ist er nie bei strömendem Regen durch das Land geradelt ... Doch er war immer ein bisschen mit dabei. Der Dichterfürst schrieb an seinen Freund Schiller über das Städtchen Ilmenau: »Ich war immer gern hier und bin es noch; ich glaube, es kommt von der Harmonie, in der hier alles steht.« Harmonisch beginnt auch unsere »Landpartie« auf dem Ilmtal-Radweg. Der startet eigentlich im Ort mit dem schönen Namen Allzunah. Aber wir schummeln ein bisschen und schwingen uns in Goethes Ilmenau auf die Räder. Schließlich wollen wir bis Weimar, und das ist schon noch ein Stückchen Weg. Doch graue Wolken verdrängen auf halbem Wege die Sonne und entladen bald eimerweise ihren Inhalt. Nun gut, also die letzten paar Kilometer pudelnass im Auto nach Weimar. Schade, gern wären wir weiter geradelt an der von Weiden und Erlen gesäumten Ilm, die sich flussabwärts der Saale entgegenschlängelt, über Waldwege und -wiesen. Doch die Aussicht auf Begegnungen mit dem alten Goethe in seinem Weimar versöhnt uns.

Als wollte uns Goethe wirklich mit sich und der Welt versöhnen, haben sich am nächsten Tag alle Regenwolken in Wohlgefallen aufgelöst. Vor dem berühmten Hotel »Elephant«, dem Thomas Mann mit »Lotte in Weimar« ein literarisches Denkmal gesetzt hat und von dem Franz Grillparzer sagte, es sei das Vorzimmer zu Weimars lebender Walhalla, wollen wir uns an die Fersen von Rolf Haage heften. Zuvor erzählt Kornelia Lukoschek noch einige Histörchen um den über 300 Jahre alten »Elephanten«. »Jeder, der etwas auf sich hielt, stieg hier ab.« Von Richard Strauss, der ein leidenschaftlicher Skatspieler war, ist überliefert, dass er oft im Elephantenkeller spielte. Da er ein schlechter Verlierer war, wurden die Musiker mit Geld aus der Orchesterkasse ausgestattet, um ihn gewinnen zu lassen und bei Laune zu halten.

Dr. Rolf Haage, von Beruf Mineraloge, würde locker als Goethe-Experte durchgehen. »Goethe ist nicht einfach«, so Haage. »Er ist eine geschlossene Tür, die man nicht eintreten kann, die man mit einem Schlüssel öffnen muss. Dahinter verbirgt sich eine Wunderwelt.« Doch nicht nur von Goethe erzählt er. Puschkin, Wieland, Schiller, Grillparzer, Liszt, dieser Rolf Haage ist ein wandelndes Lexikon. Von Franz Liszt weiß er, dass er eine neue Musikkunst nach Weimar brachte, gnadenlos ausgepfiffen wurde und Weimar wieder verließ.

Eigentlich wollen wir ja mit dem Fahrrad das Tal der Ilm erkunden. Also verlassen wir Weimar, fahren durch den Schlosspark von Tieffurt, um nach wenigen Kilometern wieder auf Liszt zu treffen. Der Wind bläst von vorn und von der Seite. Wir fahren vom Radweg ab und bergauf in Richtung Denstedt. Vor der Kirche erwartet uns Michael von Hintzenstern. Der Organist spielt für uns Liszt und erzählt, dass die von den Gebrüdern Peternell aus Seligenthal bei Schmalkalden erbaute Liszt-Orgel, eine der Lieblingsorgeln des Meisters, in diesem Jahr 150 wird und sie bis zum Liszt-Jahr 2011 restauriert wird. Die 1981 begründete Konzertreihe wird dann 30. Am 25. August gibt es in der Kirche von Denstedt das »Abschiedskonzert« vor der Restaurierung – Michael von Hintzenstern spielt auf der Orgel »Von Liszt bis Ligeti«.

Und wir schwingen uns wieder auf die Räder. Links und rechts des Wegs gibt es so viel zu sehen, dass man vorab eine Auswahl treffen sollte, sonst wird es eine Langzeittour. Die begehbare Sonnenuhr in Eberstedt zum Beispiel oder das Thüringer Weintor in Bad Sulza. Hinter Eberstedt lohnt wieder ein Abstecher – zum größten lebenden Gebäude der Welt, dem Auerworldpalast, der aus Weidenruten »gebaut« wurde. Der Schweizer Architekt Marcel Kalberer und 300 freiwillige Helfer aus aller Welt haben 1998 in einer feuchten Aue diesen Naturpalast gepflanzt. Im Sommer finden hier zahlreiche Veranstaltungen statt, so u. a. Vollmondfeste. An die Schlacht bei Auerstedt 1806 zwischen Napoleon und den Preußen erinnert ein Museum im Schloss Auerstedt.

Mit der »Landpartie«, einem Radreiseveranstalter, ist die Tour perfekt planbar. Fahrräder mit Gepäcktaschen steht am Startpunkt bereit, die Hotels werden gebucht, das Gepäck wird transportiert. Nur in die Pedalen treten muss man selber. Wer sich nicht übermäßig anstrengen möchte, kann auch ein Landpartie-Elektrorad buchen.

Und wer am Ende des Ilmtalwegs noch nicht genug hat, kann dann gleich direkt auf den Saale-Unstrut-Radweg auffahren ...

  • Infos: »Die Landpartie Radeln und Reisen GmbH«, Industriehof 3A, 26133 Oldenburg. Tel.: (0441) 570 683 13, Fax: -14, E-Mail: service@dieLandpartie.de, Internet. www.dieLandpartie.de.
  • Rolf Haage: »Weimar: Ein Führer durch die Stadt«, Sutton-Verlag, ISBN 978-3-86680-2100.
  • Liszt-Orgel Denstedt: www.lisztorgel.de. Orgelvorführungen und Sonderkonzerte nach Vereinbarung. Kontakt über Michael von Hintzenstern, Tel./Fax: (03643) 53420, E-Mail: hintzenstern@gmx.de
Auf dem Weg von Weimar nach Denstedt, den Ort mit der berühmten Liszt-Orgel
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