Extra-Taschengeld für Elitestudenten
Auf den letzten Drücker: Bundesregierung rettet ihr Stipendienprogramm, geplante Bafög-Erhöhung bleibt dagegen ungewiss
Die gestrige Bundesratssitzung war angesichts des Machtwechsels in Nordrhein-Westfalen voraussichtlich die letzte, in der die von CDU und FDP geführten Länder noch eine Mehrheit hatten. Dennoch musste die Bundesregierung bangen, ob eines ihrer Vorzeigeprojekte, das nationale Stipendienprogramm, eine Mehrheit finden würde. Denn die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates hatten klar die Ablehnung empfohlen. Die Länder wollten wegen ihrer klammen Kassen keine Mehrkosten übernehmen.
Ein Antrag des rot-roten Senats von Berlin, die Stipendiengelder besser für eine Erhöhung des Bafög einzusetzen, das mehr jungen Menschen zugute kommt, scheiterte nur knapp. So gingen im Vorfeld des Bundesratsplenums die meisten Beobachter noch von einem Scheitern des Programms aus. Da Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) jedoch überraschend die komplette Übernahme des Länderanteils in Aussicht stellte, ging das Gesetz in letzter Minute glatt durch.
Mit dem Stipendienprogramm sollen künftig bis zu 160 000 der leistungsstärksten Studenten mit monatlich 300 Euro unterstützt werden – unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern. 150 Euro davon sollen die Hochschulen bei Sponsoren einwerben. Die anderen 150 Euro zahlt jetzt der Bund. Ursprünglich wollte er die Länder mit 75 Euro beteiligen.
Die mehr als 800 000 normalen Bafög-Empfänger müssen dagegen warten. Die Länderkammer verschob die geplante Anhebung um zwei Prozent am Freitag in den Vermittlungsausschuss. Die Länder wollen erreichen, dass der Bund sie auch bei den aus diesem Gesetz resultierenden 160 Millionen Euro entlastet. Hochschulrektoren und Studenten hatten vor dem Bundesratsplenum vergeblich gemahnt, die Erhöhung noch vor der Sommerpause zu beschließen. Kommt im Vermittlungsausschuss im Herbst ein Kompromiss zustande, wird die Bafög-Erhöhung zum 1. Januar 2011 in Kraft treten – statt wie ursprünglich geplant zum 1. Oktober.
Dementsprechend deutlich fiel das Urteil des studentischen Dachverbands fzs am Freitag aus: Anstatt sich für die Breitenförderung einzusetzen, werde die »schwarz-gelbe Politik der Elitenförderung« weiter ausgebaut. Der DGB lehnt die Entscheidungen ebenfalls als »falsche Prioritätensetzung« ab. Die bildungspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Nicole Gohlke, kritisierte die Einführung von 300-Euro-Stipendien für die »Besten« als »Extra-Taschengeld für Elite-Sprösslinge« und forderte eine Umwidmung der Mittel zugunsten des Bafög. Eine Position, die auch die Bildungspolitiker von SPD und Grünen vertraten.
Schavan verteidigte die zunächst im Stipendiengesetz nicht vorgesehene volle Kostenübernahme durch den Bund. »Es war die letzte Möglichkeit, dieses Gesetz angesichts der sich verändernden Mehrheiten im Bundesrat durchzubekommen«, sagte Schavan nach der Abstimmung. »Jeder wusste, dass ich alles tun werde, um das Gesetz durchzubringen.«
Die im Bundesrat verabschiedete Fassung sieht allerdings noch die Länderbeteiligung an den Kosten vor. Dazu soll es im Herbst eine Gesetzesänderung durch den Bundestag geben, die auch den Bundesrat passieren muss. Der brandenburgische Finanzminister Helmuth Markov (LINKE) hält das für »leichtsinnig«: »Die tun so, als ob gute Worte gleichbedeutend sind mit gutem Geld, denn der Bundestag hat der Übernahme noch gar nicht zugestimmt.«
Gewonnen haben die Geldgeber aus der deutschen Wirtschaft, die über die Stipendien Einfluss auf die Auswahl der Bewerber, deren Fächerwahl und Studieninhalte erlangen. Der FDP-Vize-Chef und noch amtierende NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart sprach gestern von einem »Durchbruch bei der Studienfinanzierung«. Pinkwart ist der eigentliche Initiator des Stipendienprogrammes. Er hat in NRW ein ähnliches Landesmodell eingeführt. Seite 6
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