Berliner Gelöbnis diesmal ungestört?

Frank Brendle über den Verzicht auf Protest

  • Lesedauer: 3 Min.
Unter dem Motto »GelöbNix!« protestierten linke Gruppen in Berlin seit 1996 gegen das öffentliche Bundeswehr-Gelöbnis. Brendle und der Berliner Landesverband der Friedensorganisation DFG-VK haben die Kundgebungen viele Jahre lang mit organisiert. Dieses Jahr fällt die Demo zum ersten Mal aus.

ND: So weit absehbar, wird es dieses Jahr in Berlin zum ersten Mal keine organisierten Proteste gegen das Gelöbnis geben. Warum?
Brendle: Wir haben unsere Mobilisierungsmöglichkeiten abgewogen und kamen zu dem Ergebnis, es lohnt sich jetzt nicht.

Die Konsequenz aus der sinkenden Beteiligung in den vergangenen Jahren?
Ja, das hat etwas mit den letzten Jahren zu tun und etwas mit den Erfahrungen in der Sondierungsphase dieses Jahr. Es gab einfach schon in der Vorbereitung zu wenig Interesse.

Wie erklären Sie sich das Desinteresse?
Unsere Grundforderungen wie Rückzug aus Afghanistan und Ende der Kriegspolitik werden von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Aber eben nur in Meinungsumfragen und nicht auf der Straße. Massenmobilisierungen sind zur Zeit einfach illusionär. Bei den Gelöbnix-Demos ging es immer darum, der Bundeswehr die Möglichkeit ihrer Selbstdarstellung zu nehmen. Das Gelöbnis soll ja in der Öffentlichkeit verbreiten, dass die Bundeswehr eine alternativlose, ganz unumstrittene Einrichtung sei. Indem sie die Öffentlichkeit von vornherein aussperrt, stellt sie aber selbst klar, dass das nicht stimmt. Das andere Ziel der Demonstration war immer, die Aufmerksamkeit um das Gelöbnis für prinzipielle Kritik an der deutschen Kriegspolitik zu nutzen. Wenn das Gelöbnis aber kein Thema mehr in den etablierten Medien und in der Politik ist, geht auch unsere Kritik unter.

Die Öffentlichkeit hat sich an das Militärritual gewöhnt. Das ist eher eine Niederlage für Antimilitaristen.
Was heißt »gewöhnt«? Die Bundeswehr macht ja aus dem Reichstag eine Festung. Es ist ein Erfolg von linken Bewegungen, dass das Militär heute noch immer nicht unbehelligt in der Öffentlichkeit auftreten kann, sondern sich dabei verschanzen muss. Ich will aber nicht alles schönreden. Natürlich gibt es auch eine Mobilisierungsschwäche auf unserer Seite.

Wovon hängt der Erfolg ab?
Eine ureigene Betroffenheit ist gefragt. Bei der Atomraketenstationierung in der BRD war das so. Bei dem Irakkrieg ähnlich.

Die Zahl der deutschen Toten ist entscheidend?
Ja. Daran versucht die DFG-VK auch anzuknüpfen mit provozierenden Aktionen. Wenn die Bundeswehr weiter verkleinert wird, ist allerdings offen, ob die Toten noch als die eigenen angesehen werden, und nicht als irgendwelche Profis, die bei der Ausübung ihres Berufes ums Leben kommen.

Was zieht derzeit mehr?
Mit den Plakaten »Schritt zur Abrüstung«, das einen Soldatensarg zeigt, oder mit dem Aufruf zum Schampus-Saufen am Tag Y hat die DFG-VK in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erhalten und Diskussionen losgetreten. Das kann uns mit Protesten von einigen hundert Leuten gegen das Gelöbnis überhaupt nicht mehr gelingen.

Bleiben die Rekruten heute also vollkommen unbehelligt?
Von unserer Seite aus ist nichts geplant. Wir wissen aber nicht, ob andere Gruppen unangemeldete Proteste machen werden.

Gehen die Proteste nun außerhalb Berlins weiter? In Stuttgart rufen auch die Gewerkschaften dazu auf.
Im Gegensatz zu den Bündnissen etwa in Stuttgart oder München haben wir es in den letzten Jahren versäumt, gemeinsam mit einem gewerkschaftlichen oder bürgerrechtlichen Spektrum zu mobilisieren. Anderswo versucht die Bundeswehr noch, wirklich in der Öffentlichkeit aufzutreten. Der Münchener Marienplatz war längst nicht so abgesperrt wie das in Berlin der Fall ist. Dort lohnt sich Protest noch viel mehr, um die Bundeswehr, bevor wir sie ganz auflösen, in die Kaserne zurückzuscheuchen. Fragen: Ines Wallrodt

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