Krise im Labor
Europas Banken mussten sich einer Belastungsprüfung unterziehen
In Deutschland hatten Bundesbank und Finanzaufsicht BaFin vor zwei Wochen ausführliche Fragebögen an 14 Kreditinstitute verschickt. Die Institute sollten intern im Labortest durchspielen, ob sie für die
Realität des Jahres 2011 stabil genug aufgestellt sein werden, um beispielsweise eine deutliche Verschlechterung der Konjunktur und eine Schieflage des Euro durchzustehen. Die 91 befragten Banken in
der Europäischen Union sollen vor allem beantworten, ob sie für eine weitere Krise wie 2007 bis 2009 mittlerweile ausreichend gerüstet sind. Damals lösten das Platzen einer Immobilienblase in den USA und der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers eine internationale Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise aus.
Aufraggeber des Stresstests ist der EU-Ausschuss für Bankenaufsicht (CEBS). In ihm sitzen Vertreter der 27 nationalen Aufsichtsbehörden und der Notenbanken. »Die kennen doch die Lage aus den Meldungen zur Bankenstatistik, aus Risikomeldungen und Zweimonatsbilanzen«, rätselt Ökonom Wilhelm Hankel über den eigentlichen Sinn des Stresstests.
In Deutschland werden 14 Institute geprüft: Deutsche Bank, Commerzbank, die Landesbanken Baden-Württemberg, Bayern, Nord LB, HSH Nordbank, Helaba und Berlin, die Spitzeninstitute der Genossenschaften DZ Bank und WGZ Bank sowie die Deka-Bank der Sparkassen. Dazu die Postbank und die verstaatlichte HRE. Beide erscheinen als Wackelkandidaten.
Die angehende Tochtergesellschaft der Deutschen Bank, die Postbank, schwächelt beim Kapital und hat zudem ein problematisches Geschäftsmodell: Milliardenschweren Spareinlagen stehen zu wenige Kredite gegenüber, mit denen Geld verdient wird.
Wahrscheinlich durchfallen wird die HRE. Das Institut drohte bereits mit dem Lehman-Zusammenbruch 2008 in den Abgrund zu fallen und wurde erst vom Staat aufgefangen. Ob die HRE wirklich »systemrelevant« war und ist, bleibt unter Experten allerdings umstritten. Der Bank sollen jetzt noch zwei Milliarden Euro an Kernkapital fehlen, die wohl erneut der Staat zuschießen wird. Derzeit verfügt das Institut über ein hartes Kernkapital von nur 7,9 Milliarden Euro, das der staatliche Bankenrettungsfonds SoFFin bereitstellte. Hinzu kommen Garantien des Staates von 103,5 Milliarden Euro – was der Hälfte der Steuereinnahmen des Bundes entspricht. Anfang des Jahres hatte die HRE darüber hinaus den Antrag gestellt, riskante Vermögenswerte über 210 Milliarden Euro in eine Abwicklungsanstalt, eine »Bad Bank«, auszulagern. Noch steht eine Entscheidung der EU-Kommission dazu aus.
Als Wackelkandidaten im Stresstest gelten zudem die durch Länderbürgschaften und Zuschüsse über mehr als 50 Milliarden Euro geretteten Landesbanken. Doch der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) sieht zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Landesbank größere Schwierigkeiten haben könnte.
Umstritten bleibt bis zum Schluss, was eigentlich veröffentlicht wird. Die Banken wollen die Ergebnisse nur in standardisierter Form präsentieren. Dabei stecken sie und die Aufsichtsämter in einem Dilemma: Ein schlechtes Ergebnis mehrerer Banken könnte Kunden kosten oder gar eine erneute Vertrauenskrise auf den Finanzmärkten auslösen. Anderseits wäre auch ein »Summa cum laude« heikel: Bestehen alle Banken den Test, ist der Erfolg wenig wert.
Ohnehin wurde offensichtlich mit deutlich weicheren Krisenszenarien getestet, als ursprünglich geplant. Eurokritiker Hankel sieht denn auch in dem Test vor allem »die nachgereichte Legitimationsgrundlage für die Stützungskredite und die Flutung mit Liquiditätshilfen« durch die Bundesregierung. Nach dem Motto: »Seht, so gut haben diese Rettungshilfen funktioniert!« Anderen Beobachtern wie dem Chemnitzer Finanzwissenschaftler Friedrich Thießen scheint ein weicher Test erkenntnisreicher zu sein als gar keiner. Einigkeit besteht dagegen unter fast allen Experten darüber, den Test nicht überzubewerten – egal, wie die Ergebnisse ausfallen.
US-Stresstest
In den USA war ein Bankenstresstest wochenlang der Aufreger für Medien, Kleinsparer und Politiker. Im Frühjahr 2009 stresste nämlich die amerikanische Finanzaufsicht die 19 wichtigsten US-Banken scheinbar mit
einem Test. Die Ergebnisse waren dann weniger aufregend. Sie brachten die von der Regierung Obama erhoffte beruhigende Wirkung, kommentierte der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Hankel: »Wozu staatliche Kontrollen und Restrukturierungsmaßnahmen, wenn die Banken scheinbar aus dem Schneider sind?« Alles ist eben eine Frage der Fragen: In den USA war der Test »nicht so stressig«, befand jedenfalls das Wall Street Journal. hape
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