Leipzig in der Hoffnungsschleife

Der kühne Plan: Von der Regionalliga soll es mit »RB« bis in die Champions League gehen

Das mit der »La Olà« war vielleicht nicht die beste Idee des Tages. Als der Stadionanimateur versuchte, die in seiner Zunft so beliebte Welle in Gang zu setzen, war die 44 000 Zuschauer fassende »Red Bull Arena« allenfalls zu einem Fünftel gefüllt – was die Angelegenheit nicht eben beeindruckend aussehen ließ. Die missglückte Inszenierung sollte die einzige Peinlichkeit des Tages bleiben.

Der österreichische Energy-Drink-Hersteller hat sich die Namensrechte am Leipziger WM-Stadion bis 2040 gesichert. Immerhin etwas. »Red Bull Leipzig« darf sich der Club nämlich laut DFB-Statuten nicht nennen. »RB« steht deshalb offiziell für »Rasen Ballsport«. Durch eine attraktive Spielweise will man künftig in einer Stadt für sich werben, die zwar nach erfolgreichem Fußball lechzt, bislang aber in aller Ruhe abwartet, bis einmal attraktivere Gegner vorbeikommen als Türkiyemspor Berlin, das zum ersten Pflichtspiel erwartet wird. Am Sonnabend gegen Schalke kamen immerhin 21 566 Zuschauer. Sie sahen ein Spiel, bei dem RB zwar 1:2 verlor, aber selbst skeptischere Zuschauer durch intelligent dosierten Kombinationsfußball von sich einnahm.

Dass der Vizemeister als Wunschgegner zur Stadionpremiere gebeten worden war, ist dabei nicht ohne Pikanterie. Schließlich hat sich Dietrich Mateschitz im Sommer mit Felix Magath zum vertraulichen Gespräch getroffen. Leute wie Magath will der Firmenchef bei RB sehen, zumindest in naher Zukunft. Schalkes Trainer, der in der zweitgrößten Stadt Ostdeutschlands eine Immobilie besitzt, hat immer wieder betont, wie spannend er das Projekt »RB« findet: »Was Herr Mateschitz sportlich und privat auf die Beine gestellt hat, ist außerordentlich.« Was nur schwer zu bestreiten ist.

Ex-HSV-Manager Dietmar Beiersdorfer fungiert nun von Salzburg aus als »Red Bulls Head of Global Soccer« und ist auch für Leipzig zuständig. Die Wahnsinnsvorstellung: In Europa soll Leipzig einmal die Leuchtturm-Funktion übernehmen und schon bald in der Champions League spielen. Angeblich wurden am Firmensitz dafür bereits 100 Millionen Euro eingeplant. Red Bull Salzburg, immerhin österreichischer Meister, soll zu einer Kaderschmiede für Leipzig umgemodelt werden.

In der Oberliga Süd holte man in der vergangenen Saison 80 Punkte aus 30 Spielen. Manager Krug und Trainer Tino Vogel mussten trotzdem gehen. Mit attraktivem Fußball sollen nun auch die Leipziger ins Stadion gelockt werden, die den fußballerischen Ehrgeizling noch skeptisch beäugen.

Um die Identifikation mit RB zu erhöhen, hat man vor dieser Saison verstärkt auf die Ost-Sozialisation der Zugänge geachtet. »Ziel ist

es, hiesige Talente an den Verein zu binden«, sagt Trainer Thomas Oral, der früher beim FSV Frankfurt war. Wie die beiden gebürtigen Sachsen Tim Sebastian und Tom Geißler haben auch die Neulinge Lars Müller, Timo Rost, Alexander Laas, sowie Sven Neuhaus, Ingo Hertzsch, Nico Frommer und Thomas Kläsener schon in der ersten Liga gespielt. Außerdem kam U-20-Nationalspieler Carsten Kammlott (RW Erfurt), der die Schalker Abwehr auf Trab hielt.

Nun hofft man, dass Leipzig sich allmählich mit dem Senkrechtstarter anfreundet, der noch vor einem

Jahr bei vielen Spielen angefeindet wurde. »Wir wollen uns weiter sympathisch präsentieren«, sagt Kapitän Hertzsch. »Arrogantes Auftreten kommt im Osten ganz schlecht an.«

»Keiner mag uns – scheißegal«, sang der etwa 50 Mann starke RB-

Block und hisste ein offenbar selbstironisch gemeintes Transparent mit der Aufschrift »Tradition trifft Zukunft«. Die RB-Verantwortlichen registrierten derweil hocherfreut, dass der Leipziger Treffer (Nico Frommer/11.) lauter bejubelt wurde als die der Schalker.

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