Die Fahne
Blatt für Hans Albers
Da kam ein amerikanischer Typus ins deutsche Kino, ein Vollblut des Showtalents, einer von unten her, der sich mit Zirkus und Varieté gegen die Von-oben-Kunst zur Wehr setzte. Dialoge? Frei Schnauze. Im Stummfilm probte Hans Albers (Foto: dpa) Posen, der Tonfilm war dann seine Arena fürs ewig sich wiederholende Kunststück: in allen Lagen unbesiegt zu bleiben. Zerstörbar, aber nicht besiegbar. Der Athlet in Halbseide. Im Männlichkeitswahn ein Quäntchen Hemingway. Er trägt Toupet, wie Gary Cooper in »Zwölf Uhr mittags« speziell erhöhte Stiefel tragen wird. Der Anteil der Lüge an der Heldenwerdung des Menschen. Der blonde Hans: einer, der »auf keine andere Fahne schwört als auf den frechen Wimpel eigener Unwiderstehlichkeit« (Hans-Christoph Blumenberg).
Aber ja, auch Ernst Bloch hatte recht: »Ein ekelhafter Bursche, jeder Zoll ein Naziführer«. Von seiner »nichtarischen« Frau Hansi Burg wird er sich freilich nur zum Schein trennen, sie bleiben heimlich zusammen, unternehmen Reisen, erheben fremde Orte zum Ehe-Ort – ins Londoner Exil allerdings, im Jahr des Kriegsbeginns, folgt er ihr nicht: Er ist ein Schauspieler deutscher Zunge, an dieser Wahrheit zerbricht sein Mut. Den er im Film zur unübertrefflichen Stehaufmentalität treibt. Er springt auf herrenlose Kutschen, aufs treibende Floß, auf die fliegende Kanonenkugel, er springt gleichsam auf jeden führerlosen Zug, der mit ihm vorwärts zu mythischen Schauplätzen prescht. Er ist der Mann auf der Suche nach dem Arkadien, das nur er beherrschen kann, und sein Prinzip heißt Treue, und das alles reimt sich bald auf Goebbels. Halbschatten der Gestaltung, Zwischentöne hatten ihm wohl nur Sternberg und Käutner gestattet, im »Blauen Engel«, in der »Großen Freiheit Nr. 7« (gedreht wird großenteils im faschistisch besetzten Prag, da Hamburg schon zu zerstört ist). Fotos mit Nazifunktionären gibt es nicht, großen Feiern bleibt er fern. Mit Ruhm und Höchstgagen zementiert er sich eine Freiheitszone inmitten der Käuflichkeit. Er strahlt in die Kameras des Systems und kotzt nach innen.
Später dann die Trümmerfilme, die Melancholie gesteigert, das Obenauf nicht gemindert. Wacklige Beine, aber die glasigen Augen nochmal kühn ins Wesenlose gerichtet. Die Stimme, gebrochen, lauscht dem eigenen Echo nach. Aus dem forschen Eroberer wird der besonnene Praktiker, und seine letzten Filme sind seine überzeugendsten. Das herrische Gehabe aufgeweicht. Die Heldenabgänge haben ihren eigenen Adel, so wurde einst sogar Odysseus zum erträglichen Menschen.
Am 23. April 1946 erscheint erstmals das ND. Auf der letzten Seite: »Allen Berlinern und besonders den Lesern des ›Neuen Deutschland‹ herzliche Grüße. Ein neues freies Deutschland steht als Aufgabe vor uns allen, der wir uns jeder an seinem Platz, mit aller Kraft widmen wollen. Hans Albers.«
In Hamburg kam er 1891 auf die Welt, ein Schlachtersohn; am 24. Juli 1960, vor fünfzig Jahren, starb er. Hans-Dieter Schütt
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