Feuersturm über Russland
Bisher 41 Tote / Ausnahmezustand über sieben Gebiete verhängt
Der Chef des Nationalen Krisenzentrums, Wladimir Stepanow, hatte wenig Gutes zu verkünden: »Was das Wetter betrifft, wird es keine positive Dynamik geben«, sagte er am Dienstag voraus. Übersetzt aus dem Bürokratenrussisch heißt das: Ein Ende der außergewöhnlichen Hitze mit Temperaturen bis zu 40 Grad, die im Zusammenwirken mit dem Wind die Ausbreitung des Feuers begünstigt, ist nicht abzusehen. Wetterforscher sprechen von der schwersten Trockenheit und Hitze in Russland seit mehr als 130 Jahren.
Nach offiziellen Angaben sind bisher 41 Menschen in den Flammen ums Leben gekommen, Hunderte mussten mit Brandwunden, Rauchvergiftungen oder Kreislaufversagen in Krankenhäuser gebracht werden. Tausende sind obdachlos geworden. Von einer »großen Tragödie« sprach Präsident Dmitri Medwedjew, der sich mit einer Videobotschaft an seine Landsleute wandte und sie aufrief, »nicht abseits zu stehen und jenen zu helfen, die wegen der Brände ihr Zuhause verloren haben«. Der Staat sei sich seiner Verantwortung bewusst, die Betroffenen würden finanziell unterstützt, und noch vor Einbruch der Kälte müssten neue Häuser für die Obdachlosen errichtet werden. Am Wochenende hatte Ministerpräsident Wladimir Putin Ende Oktober als Endtermin für den Wiederaufbau von Häusern und Siedlungen genannt.
Nishni Nowgorod – etwa 500 Kilometer östlich von Moskau – gehört zu den sieben Regionen, über die Medwedjew am Montag per Dekret den Ausnahmezustand verhängt hatte. Unbefugten wurde das Betreten von Waldgebieten auch in den Gebieten Wladimir, Woronesh, Rjasan, im Moskauer Umland und den Republiken Mordwinien und Mari El untersagt. Insgesamt sind 17 Regionen von den Bränden betroffen, die landesweit bereits etwa 650 000 Hektar heimgesucht haben.
Rund 180 000 Feuerwehrleute, Armeeangehörige und Freiwillige sind seit Tagen im Einsatz. Sie hätten 320 Siedlungen vor einem Übergreifen der Flammen gerettet, sagte der Leiter des Krisenzentrums am Dienstag. Täglich brächen jedoch 300 bis 400 neue Brände aus, teilte Wladimir Stepanow mit.
Mehr als 2200 Rettungskräfte bemühten sich am Dienstag im Raum Sarow (Gebiet Nishni Nowgorod), ein Atomforschungszentrum zu schützen. Zur Koordinierung der Rettungsarbeiten war der Leiter der staatlichen Atomagentur Rosatom, Sergej Kirijenko, in das Gebiet geflogen. Die Behörden meldeten, trotz des Loderns von Bränden in einigen Kilometern Entfernung werde in dem Zentrum, das auch der Waffenentwicklung dient, wie gewohnt gearbeitet.
Im Kampf gegen die Katastrophe nimmt Russland inzwischen auch ausländische Hilfe an. Zwei Flugzeuge aus der Ukraine und zwei Hubschrauber aus Aserbaidshan sollen dabei helfen, die Flammen zu ersticken. Löschflugzeuge können jedoch nur bei Tageslicht eingesetzt werden und bei starker Rauchentwicklung müssen sie in größeren Höhen fliegen, als es für eine effektive Brandbekämpfung erforderlich wäre.
In Telefongesprächen mit den Gouverneuren der betroffenen Gebiete erörterte Präsident Medwedjew insbesondere auch die Notwendigkeit der Evakuierung von Kindern aus den gefährdeten Orten. In diesem Zusammenhang sprach er seine Anerkennung für das Angebot aus Deutschland aus, Kinder aus den brandgeschädigten Regionen vorübergehend aufzunehmen. ND/Agenturen
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