Berlin droht Lateinamerika mit Kooperation
Außenminister Westerwelle stellte Grundsatzpapier zur Zusammenarbeit vor / Kritik an Rolle parteinaher Stiftungen
Die betonte Zuwendung zu den Ländern Lateinamerikas und der Karibik mit rund 500 Millionen Einwohnern begründete Westerwelle in erster Linie mit der wachsenden Bedeutung der regionalen Volkswirtschaften. Vor allem Mexiko und Brasilien hätten in den vergangenen Jahren mehr politisches und wirtschaftliches Gewicht bekommen, sagte der liberale Politiker, dem der Ausbau dieser Beziehungen nach eigenem Bekunden »ganz persönlich ein wichtiges Anliegen« ist. In der Tat war Westerwelle zu seiner ersten Dienstreise als Außenminister nach Lateinamerika aufgebrochen.
Ihm gehe es darum, sagte er am Mittwochnachmittag bei der Präsentation der Regionalstrategie im Außenamt, den lateinamerikanischen Aufschwung für die deutsche Wirtschaft »bestmöglich zu nutzen«. Deutschland müsse sich als führende Volkswirtschaft im EU-Raum der Konkurrenz aus China stellen und sich »aktiver engagieren«. Tatsächlich hatten die Regierungsparteien ein »ressortübergreifendes Konzept zur langfristigen Ausgestaltung unserer Lateinamerikapolitik« bereits im Koalitionsvertrag angekündigt.
Die jetzt ausgeführte Fokussierung auf wirtschaftliche Interessen stößt bei Fachorganisationen nicht unbedingt auf Zustimmung. In »erfrischender Klarheit« habe Minister Westerwelle erklärt, dass es beim bilateralen Verhältnis »ausschließlich um die wirtschaftliche Interessenpolitik geht«, sagte im ND-Gespräch Andrés Schmidt vom Ökumenischen Büro in München. Die Erfolge der südamerikanischen Wirtschaftsentwicklung seien jedoch im Wesentlichen ein Ergebnis der »zweiten Unabhängigkeit« Lateinamerikas, so Schmidt weiter: »Die Staaten der Region haben sich von der Herrschaft der US- und europatreuen weißen Eliten in vielen Ländern freigemacht und die regionale Integration gestärkt«. Die verstärkten Anstrengungen Westerwelles in Bezug auf Lateinamerika seien eher vonnöten, »weil der Kontinent sich aus kolonialer Abhängigkeit befreit und der EU dort die Felle davonschwimmen«, so Schmidt, der eine »aggressive Haltung« deutscher Parteistiftungen gegen anti-neoliberale Ansätze in Südamerika konstatiert.
Unbestreitbar sorgt die Politik der Parteistiftungen für zunehmende Konflikte. So hatte die in Honduras durch ein Regionalbüro vertretene FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung (FNSt) den Militärputsch gegen den letzten demokratisch gewählten Präsidenten dieses mittelamerikanischen Landes, Manuel Zelaya, Mitte vergangenen Jahren öffentlich verteidigt. Während der blutige Umsturz von der großen Mehrheit der 192 UNO-Staaten verurteilt wurde, sprach FNSt-Regionalvertreter Christian Lüth von einer »Rückkehr zu Rechtsstaat und zu Verfassungsmäßigkeit«.
Beinahe nach Deutschland ausgewiesen
Das »ressortübergreifende Konzept« der Bundesregierung scheint daher auch die Stiftungen einzuschließen – und es lässt nicht nur in Mittelamerika wachsende politische Konflikte erwarten. Nach Angaben diplomatischer Quellen in Venezuela wurde dort ein Vertreter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung wegen der Unterstützung von Putschbestrebungen beinahe ausgewiesen. Erst die Intervention deutscher Parlamentarier anderer Fraktionen konnte einen Eklat in letzter Minute abwenden.
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