Die Sonne brennt, doch ...

... fast 60 Prozent der Italiener haben kein Geld für Urlaub

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Ferien, endlich Ferien. Die Sonne brennt, der Asphalt kocht, und in den italienischen Städten sieht man nur noch Touristen: die Italiener aalen sich alle an den Stränden … Tatsächlich ist dieses Bild zumindest für 2010 falsch. Eine Studie hat ergeben, dass dieses Jahr fast 60 Prozent der Italiener kein Geld haben, um in Urlaub zu fahren. Die Krise, die von der Berlusconi-Regierung lange Zeit totgeschwiegen wurde, macht sich inzwischen im täglichen Leben immer stärker bemerkbar.

Von zehn Italienern können sich in diesem Jahr nur vier einen Urlaub leisten. Und der ist in den meisten Fällen auch kürzer als noch im Jahr 2009. Die anderen sechs Italiener bleiben entweder ganz zuhause oder fahren höchstens mal für ein Wochenende zu Freunden oder besser noch zu Verwandten, die irgendwo in der Nähe der Küste oder auf dem Land ein Häuschen haben.

Noch vor wenigen Monaten hatte Ministerpräsident Silvio Berlusconi erklärt, die Krise habe Italien vielleicht überhaupt nicht, aber auf jeden Fall weniger stark erfasst als andere Länder; doch angesichts leerer Hotelbetten und der zumindest im Süden wenig befahrenen Autobahnen muss wohl auch der Premier der Realität ins Auge sehen. Die Italiener haben weniger Geld als in den Vorjahren, müssen den Gürtel enger schnallen und sparen wo sie nur können. Für viele sind ein paar Urlaubstage ein unerreichbarer Luxus.

Besonders hart trifft es die Rentner. Nur 37 Prozent der über 65-Jährigen können sich eine Erholungsreise leisten. Die Jüngeren haben es da besser: sie brauchen weniger Komfort, können sich billiger fortbewegen und sind auch mit sehr einfachen Unterkünften zufrieden. Wohl auch deshalb fahren immerhin fast 54 Prozent der 18- bis 34-Jährigen auch dieses Jahr weg.

Dass der Urlaub direkt etwas mit dem Wohlstand zu tun hat, wird auch durch folgende Zahl bewiesen: Im Süden Italiens, wo die Menschen bekanntlich ökonomisch schlechter dastehen, können nur 30 Prozent der Bevölkerung Urlaub machen. Leider wird auch das Angebot für die »Daheimgebliebenen« immer geringer: Wenn es noch vor wenigen Jahren groß angelegte Sommerprogramme und Festivals gab, sind diese 2010 enorm geschrumpft. Auch die Städte und Gemeinden sind faktisch pleite und können weder Sommercamps für Kinder noch Aktivitäten für ältere Leute auflegen. Und auch für einen Kinoabend im Freien muss man jetzt, anders als in den Vorjahren, zahlen.

Als beliebteste Urlaubsregion hat Apulien inzwischen Sardinien den Rang abgelaufen. Der Stiefelabsatz ist leichter zu erreichen und wahrscheinlich wirklich ein idealer Ferienort: Sandstrände und felsige Küsten, Kunst und Kultur, Feriendörfer und private Unterkünfte, kleine und große Hotels und vor allem weniger teuer als die große Mittelmeerinsel.

Überhaupt bleiben die Italiener, die auch dieses Jahr verreisen, in erster Linie dem »Mare Nostrum« (»Unser Meer«) der alten Römer, dem Mittelmeer treu. Griechenland und Kroatien sind auch wegen der relativ niedrigen Preise besonders beliebt, gefolgt von Spanien, Ägypten und Tunesien. Länder nördlich der Alpen sind dagegen wenig attraktiv. Für weite Reisen und exotische Ziele sind die Italiener offensichtlich wenig zu haben. Nach dem Lieblingsurlaubland befragt, hat ein Viertel der Menschen ein ganz klares Ziel vor Augen: Das Land der Pharaos, Ägypten. Dort würde man, wenn man denn könnte, am liebsten die Ferienzeit verbringen. Und von Pyramiden träumen kann man ja auch zuhause in den eigenen vier Wänden …

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.