Blaubeerpflücker ohne Rechte
Menschenhändler betrügen asiatische Saisonarbeiter / Streiks und Forderung nach Heimkehr
Die kleinen Beeren aus den Wäldern Nordschwedens haben nicht nur den berechtigten Ruf, gut zu schmecken, sondern haben auch gesundheitsförderliche Inhaltsstoffe. Jedes Jahr im Hochsommer werden insgesamt etwa 500 000 Tonnen Blaubeeren, Preiselbeeren und Multebeeren in den nordschwedischen Wäldern und auf Plantagen geerntet. Eine mühevolle Arbeit im Akkord, der sich nur wenige Schweden unterziehen wollen.
Der größte Teil der Ernte wird daher durch ausländische Arbeitskräfte eingebracht. In den letzten Jahren waren es vorzugsweise Balten und Osteuropäer, die jedoch zunehmend durch Thailänder, Vietnamesen und Chinesen abgelöst worden sind.
Professionelle asiatische Menschenhändler stießen im Jahr 2009 auf diese Profitmöglichkeit und warben etwa 9000 Pflücker in diesen Ländern. Nach Angaben der schwedischen Gewerkschaft Komunal berechnen sie den Angeworbenen etwa 2200 Euro Kosten für Flugticket, Essen, Benzin und Werkzeuge. Dafür verpflichten sich die Pflücker im Arbeitsvertrag, täglich bis zu 90 Kilogramm Beeren zu ernten und bekommen bei einem 14-stündigen Arbeitstag dafür einen Monatslohn von etwa 1700 Euro. Ihr Einkommen ist im besten Fall damit bescheiden. So geschah es auch 2010.
Als Antwort setzte die schwedische Regierung fest, dass den Pflückern ein Tarifvertrag zusteht und ein Mindestlohn gezahlt werden muss. Den können die Wanderarbeiter, die kein Schwedisch sprechen und keine Kenntnis schwedischen Arbeitsrechts haben, auch vorzeigen. Parallel dazu verlangen die Leiharbeitsfirmen aus ihren Heimatländern aber, dass sie einen Vertrag unterzeichnen, der den Tarifvertrag außer Kraft und sie auf Akkord setzt.
Die asiatischen Pflücker wurden mit Versprechen zu guten Verdienstmöglichkeiten nach Nordeuropa gelockt, doch wochenlange Verzögerungen bei der Lohnzahlung führen zu Unruhen und Streiks. Schwedische Medien berichten über Protestmärsche, Besetzung kommunaler Gebäude, um die Heimreise zu erzwingen und Gefangennahme von Vorarbeitern. Die Pflücker sind über ein Gebiet von etwa 100 000 Quadratkilometer verstreut und ihre Aktionen sind nicht koordiniert, sondern von ihrer individuellen schwierigen Lage diktiert.
»Wir haben sowohl mit den schwedischen Beerenaufkäufern verhandelt als auch mit den Leiharbeitsfirmen, die Vertreter in Schweden haben. Wir haben Dolmetscher genommen, um den Pflückern ihre Rechte zu erklären, aber viel mehr können wir nicht tun«, erklärte Pär Holmsen von der Komunal-Gewerkschaft gegenüber ND. »Sie sind als eine Art Subunternehmer angeheuert und unterliegen nicht dem schwedischen Arbeitsrecht. Einige von ihnen warten auf die Heimreise, andere sind wieder an die Arbeit zurückgekehrt.« Im Distrikt Luleå streikten einige hundert Thailänder, von denen etwa die Hälfte über das Wochenende heimkehrte.
In den schwedischen Medien wurde die Forderung nach gesetzlichen Bestimmungen laut, um die Praktiken der Leiharbeitsfirmen zu unterbinden. Das dürfte jedoch schwierig werden, da gleichzeitig Steuergesetze berührt werden.
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