Sarkozys Vorlage für die extreme Rechte
Frankreich: Sicherheitshysterie spielt Front National in die Hände
Während der FN-Parteivorsitzende Jean-Marie Le Pen und sein Stellvertreter Bruno Gollnich erst kürzlich zu einem internationalen Treffen der Extremen Rechten in Japan weilten und dort bezeichnenderweise auch den Yasukuni-Schrein, in dem das Andenken der japanischen Hauptkriegsverbrecher gepflegt wird, einen ehrenden Besuch abstatteten, hat die französische Zeitung »Le Monde« Funktionäre der Partei in verschiedenen Regionen Frankreichs befragt. Das Schwergewicht lag dabei auf den Departements Nord, Pas-de-Calais, Bouche-du-Rhône, Seine-et-Marne, Haut-Rhin, Haute-Savoie und Pyrénées-Orientales, wo die FN besonders stark ist. All diese Politiker sind sich einig: die Verbindung, die Präsident Nicolas Sarkozy in seiner Brandrede Ende Juli in Grenoble zwischen Einwanderung und Kriminalität gezogen hat, wertet die Front National auf, die schon seit Jahren vor diesen Zusammenhang »gewarnt« hat.
»Sarkozy dient der FN als Eisbrecher, und er ist sich dessen nicht einmal bewusst«, frohlockt ein Kommunalpolitiker. »Das legitimiert unsere Argumente. Unser Programm kann doch wohl gar nicht so schlecht sein, wenn sich sogar der Präsident daraus bedient«, meint ein anderer. Für Matine Binder, FN-Verantwortliche im elsässischen Departement Haut-Rhin steht fest: »Viele unserer traditionellen Wähler sind im Präsidentschaftswahlkampf 2007 Sarkozy auf den Leim gegangen. Doch das passiert ihnen nicht noch einmal. 2012 wählen sie statt der Kopie lieber gleich das Original.« Auch Dominique Martin, FN-Abgeordneter im Generalrat des Departements Haute-Savoie, ist sicher, dass viele der 2007 zu Sarkozy und seiner Regierungspartei UMP abgewanderten FN-Wähler bei den nächsten Wahlen 2012 zurückkehren werden. Eric Dillies im Departement Nord schätzt ein: »Sarkozy ist in Fragen der Einwanderung, der Rolle der Ausländer im Land, der Drogen, der Jugendbanden und der Kriminalität nicht überzeugend und glaubwürdig. Aber bei jeder seiner Erklärungen zu diesen Themen fällt wieder ein Tabu. Noch zwei, drei Jahre, dann ist die ›Lepenisierung der Köpfe‹ soweit fortgeschritten, dass die Mehrheit der Franzosen unsere Meinung teilt.«
Für Steeve Briois hat Sarkozy schon den Höhepunkt seiner Möglichkeiten überschritten. In Fragen der Behandlung der illegalen Einwanderer und der Zurückdrängung der Kriminalität habe jede der von ihm angkündigten Maßnahmen »vor allem das Ziel, das Abwandern seiner Wähler von 2007 zur Front National aufzuhalten«. Marie-Christine Arnautu, Regionalratsmitglied in der Region Ile-de-France, beobachtet nicht nur eine um sich greifende Enttäuschung der Sarkozy-Wähler, sondern dieselbe Tendenz auf bei Kadern der rechten Regierungspartei UMP. Als Beispiel verweist sie auf den Fall eines Rentners im südfranzösischen Departement Herault, der kürzlich auf zwei rumänische Roma-Frauen geschossen hat, die am helllichten Tage in sein Haus eingebrochen sind, und der die Diebinnen schwer verletzt hat. Gegen seine Inhaftierung und die Anklage wegen Körperverletzung, weil sein Handeln nach Meinung der Staatsanwaltschaft »unverhältnismäßig« gewesen sei, haben nicht nur Nachbarn und andere Dorfbewohner, sondern zusammen mit den Front-National-Verantwortlichen des Departements und der Region auch Kommunal- und Regionalpolitiker der UMP protestiert.
»Jahrelang hat nicht nur die Linke, sondern auch die ›offizielle‹ Rechte einen Cordon sanitaire um die Front National gezogen«, schätzt Steeve Briois ein. »Das ist vorbei. Heute bestätigen uns immer mehr UMP-Politiker nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand, dass wir in Fragen der Überfremdung und der Unsicherheit eigentlich schon immer recht hatten.«
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