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Lage in Kaschmir »extrem ernst«

KP Indiens (M) zeigt sich geschockt vom Tod von über 60 Zivilisten in den vergangenen Wochen

  • Hilmar König
  • Lesedauer: 3 Min.
Prakash Karat, der Generalsekretär der KP Indiens (Marxistisch), der sich mit einer Delegation in Srinagar aufhielt, bezeichnete jetzt die Situation im nördlichen Unionsstaat Jammu und Kaschmir als »extrem ernst«. Seine Partei sei geschockt darüber, dass es im Verlaufe von Protestaktionen in den vergangenen Wochen bislang über 60 Tote gegeben habe.

Am Dienstag bot die kaschmirische Sommerhauptstadt Srinagar ein fast normales Bild. Die Ausgangssperre war aufgehoben worden. Schulen, Büros, Geschäfte, Banken und Märkte hatten geöffnet. Der Verkehr rollte. Die Menschen durften wieder die für den Fastenmonat Ramadan erforderlichen Einkäufe tätigen. Das war ein Kontrast zum Alltag der letzten Wochen. Seit dem 11. Juni, als der 17 Jahre alte Schüler Tufail Mattoo von einer Tränengasgranate getötet wurde, kamen bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften bislang 63 Zivilsten ums Leben, überwiegend Jugendliche. Chefminister Omar Abdullah rief immer mehr Militär zu Hilfe. Die Protestierenden wehrten sich mit Steinwürfen, zündeten Autos und Gebäude an. Der über weite Teile des Kaschmirtales wiederholt verhängte Ausnahmezustand brachte nicht die erhoffte Beruhigung. Wegen des anhaltenden Aufruhrs sprach man bereits von einer »Kaschmir-Intifada«. Dabei ging und geht es den aufgebrachten Bürgern um Gerechtigkeit, Würde, Respektierung der Menschenrechte und um eine politische Lösung des seit 1947 bestehenden Konflikts. Die Region ist in einen pakistanischen und einen indischen Teil gespalten. Separatisten fordern Unabhängikeit oder den Anschluss des Kaschmirtales an Pakistan.

Karat erklärte nach Gesprächen und Begegnungen mit Bürgern und Politikern in Srinagar am Montag vor Journalisten, es müsse sofort ein Ende der »brutalen und unmenschlichen Polizeischießereien« geben. Die Sicherheitskräfte könnten bei derartigen Konfrontationen zu anderen Mitteln greifen. Zugleich appellierte er an die Bürger, besonders die Jugend, auf friedliche Art ihre Proteste zu bekunden. Die Sondervollmachten für die Streitkräfte, wie sie im Armed Special Powers Act enthalten und in Kaschmir in Kraft sind, müssten überarbeitet werden, sagte der Poltiker. Er bemängelte, dass die Regierung in Delhi »vollkommen ratlos« sei und keine Strategie habe, um mit der Situation fertigzuwerden. Sie müsse einen »Fahrplan« für Kaschmir vorlegen.

Bei der nächsten ZK-Sitzung, so Karat, werde seine Partei eine eigenes Konzept für Jammu und Kaschmir präsentieren. Anders als die Regierung, sei die KPI (M) der Meinung, dass das Problem Jammu und Kaschmir nicht auf konventionelle Weise behandelt werden kann. »Regelungen für maximale Autonomie sind der einzige Weg vorwärts für eine politische Lösung,« betonte er. Der Sonderstatus des Unionsstaates sowie die Identität der Kaschmiren müssten anerkannt werden. Unabdingbar sei ein offener und ehrlicher Prozess des Dialogs mit allen Teilen der Bevölkerung.

Dieser politische Prozess, zu dem als dritter Partner auch Pakistan gehört, ist nie richtig in Gang gekommen. Delhi weiß nicht, welches Ausmaß an Autonomie es Jammu und Kaschmir gewähren könnte. Eine Abtrennung des überwiegend muslimisch besiedelten Kaschmirtales, dessen Anschluss an Pakistan oder die Unabhängigkeit, wofür seit 1989 von Pakistan unterstützte bewaffnete Rebellen kämpfen, kommt ohnehin für keinen Politiker Indiens infrage. Vor diesem Hintergrund machte sich Prakash Karat dafür stark, Gespräche mit Islamabad aufzunehmen, allerdings zu allen Problemen und nicht nur zum Kaschmirkonflikt.

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